Dorf in Tirol verkauft Skigebiet – das soll es kosten

Einsam steht die Liftanlage am Berg mit ihren zwei Sesselbahnen und vier Liften. Nichts bewegt sich, die Kassen sind zu, an dem Haus, an dessen Fassade "Skilifte Jungholz" geschrieben ist, sind die Rollläden runtergelassen.
Man könnte schon Ski fahren in diesem auf 1054 Metern Höhe gelegenen Dorf in Tirol, wenn die Anlage denn liefe. Tut sie aber nicht. Denn die Skiliftgesellschaft ist pleite. "Wir stehen nun vor der Herausforderung", sagt die Bürgermeisterin Karina Konrad, "unseren Gästen ein Schneeerlebnis zu liefern ohne Skifahren."
In Jungholz in Tirol läuft kein einziger Lift
Die Alpen werden in den Weihnachtsferien wie immer überströmt von Urlaubern, die Ski fahren wollen. Zumindest auch. Und in Jungholz, dessen Skigebiet vom Berg Sorgschrofen in Höhe von 1500 Metern bis runter direkt an das Dorf reicht, läuft kein einziger Lift. Das Skigebiet wird verkauft, darüber hatte der "Alpenländische Kreditorenverband" - eine Gläubigerschutz-Vereinigung - schon im Juni 2024 berichtet.
Im Sommer zuvor war die Gemeinde der schon damals in Schieflage geratenen Gesellschaft noch mit 500.000 Euro beigesprungen, 400.000 davon als Bankbürgschaft. Doch das verzögerte die Insolvenz nur.
"Gute" Verhandlungen mit einem Investor
Die Artikel und Nachrichten quer durch Österreich und Deutschland, dass sich die Jungholzer von ihrem Skiberg trennen, hat manche der nur 300 Einwohner etwas erbost. Man mag keine Negativwerbung, mag nicht vorgeführt werden. Kauft sich nun ein Milliarden-Scheich seinen eigenen Berg mit Liften und allem drumherum? So etwas konnte man assoziieren. Und so stimmen die Berichte zumindest teilweise nicht.
"Wir stehen in guten Verhandlungen mit einem Investor", erzählt Bürgermeisterin Karina Konrad (ÖVP). "Wir sind fest davon überzeugt, dass die Liftanlage in der Saison 2025/26 wieder öffnet und dann gut betrieben wird."
Sesselbahnen und Lifte stehen zum Verkauf
Zum Verkauf stehen konkret: die Sesselbahnen, die Lifte, 46 Schneekanonen, drei Pistenraupen, weitere Fahrzeuge, ein Kinderspielplatz. Der ganze Berg aber wird nicht verkauft, auch wenn eine solche Geschichte gut klingt.
Abgegeben werden, so heißt es beim Kreditorenverband, "pfandrechtlich belastete Liegenschaften, auf denen die Liftanlagen errichtet sind". Der Käufer hat also das Recht, auf der Fläche das Skigebiet zu betreiben. Die Eigentumsverhältnisse sind zersplittert, der Berg gehört weiterhin vielen einzelnen Besitzern.
"Was ist eigentlich so interessant an Jungholz?"
Konrad erscheint als freundliche, verbindliche, resolute Bürgermeisterin. Ein wenig gequält fragt sie aber: "Was ist eigentlich so interessant an Jungholz und uns 300 Einwohnern?" Zum gehandelten Kaufpreis von 1,8 Millionen sagt sie nichts, ebenso wenig über den möglichen Investor.
Dabei ist ja klar, dass dies ein schon jetzt versierter Liftbetreiber sein muss, der die Erwartung hat, die Anlage profitabel zu führen. Geschätzt wird, dass weitere 1,5 Millionen benötigt werden für Investitionen, denn die Anlage ist in die Jahre gekommen.
Einigkeit herrscht über die Folgen des Klimawandels
Jungholz ist eine österreichische Enklave umgeben vom bayerischen Allgäu, jährlich werden bis zu 80.000 Übernachtungen von Urlaubern verzeichnet. Nach Füssen ist es nicht weit, ebenso wenig wie nach Sonthofen oder Oberstdorf.
Über die Folgen des Klimawandels herrscht Einigkeit, das sieht auch Konrad so. Die Winter werden wärmer, es fällt weniger Schnee, und die Beschneiung mit Schneekanonen ist bei Plus-Graden auch nicht möglich. Die Skifahrer zieht es immer mehr in die hohen Lagen in Österreich und vor allem in den Dolomiten.
Alternativen für den Winter: Wandern und Skitouren
Erst in diesem Frühjahr etwa gab das Skigebiet am Jenner in der Nähe des Königssees ganz auf, die Umstände waren ähnlich wie in Jungholz. Der zu warme Januar 2024 hat die Skiliftgesellschaft in Jungholz letztlich in den Ruin getrieben, meint die Bürgermeisterin. "Wir hatten gehofft, aber Skifahren war nicht möglich", so Konrad.
Für den Winter jetzt haben sich die Jungholzer einiges an Alternativen ausgedacht. "Man kann Wandern und Skitouren gehen", sagt Karina Konrad. Die Vereine veranstalten Glühweinabende, es gibt eine Rodel- und eine Eisstockbahn. Außerdem sind Skigebiete anderswo leicht zu erreichen, Unterjoch etwa in sieben Kilometern.
"Das Dorf ist tot"
Ein Artikel in der "Allgäuer Zeitung" vor Weihnachten hat die Jungholzer nicht erfreut. In der Überschrift war eine Einheimische zitiert worden: "Das Dorf ist wie tot." Dabei sei vor den Ferien immer wenig los in Jungholz, sagt die Bürgermeisterin. Und wie viele Urlauber - häufig sind es Stammgäste, junge Familien und Ältere - tatsächlich verloren gegangen sind, lasse sich erst nach der Wintersaison ermitteln.
Kaum ein Jungholzer will mehr etwas zur Liftanlage sagen. Auf Anfragen reagieren die meisten überhaupt nicht. Manche schreiben, sie haben nie Zeit. Und ein Gastwirt teilt mit, dass die Bürgermeisterin die Gemeinde sehr gut vertrete.
"Jetzt haben wir die Chance"
Bereit zum Gespräch ist Stefan Bühler, der Vize-Feuerwehrkommandant. 34 freiwillige Feuerwehrleute haben sie in Jungholz, erzählt er, eine stolze Zahl. Schlimmes passiert sei aber glücklicherweise schon länger nichts mehr. Er ist 33 Jahre alt, Sicherheitsingenieur, stammt aus dem Dorf.
"Seit 2023 prasselt das Thema auf uns ein", sagt Bühler. Im Ort habe es durchaus Streit und "böses Blut" gegeben. In die Richtung: Die einen wollten den Lift unbedingt halten und meinten, dass Jungholz ohne ihn nicht mehr Jungholz sei. Die anderen fügten sich der Insolvenz, da nur ein Schnitt und ein neuer Betreiber eine Chance bedeuteten.
Bühler selbst fragt: "Wie lange werden wir den Liftbetrieb überhaupt noch haben können angesichts des Klimawandels? Zehn Jahre, vielleicht 20?" Die Kosten seien um ein Drittel gestiegen, doch an immer weniger Tagen konnte Ski gefahren werden. "Erst gab es die Grundbeschneiung mit den Kanonen, dann ist wieder alles geschmolzen." Der Jungholzer meint: "Jetzt haben wir die Chance, Jungholz ohne Lift als Szenario durchzuspielen. Die Chance für etwas Neues."