Diplomaten lassen die Sau raus - straffrei

Der eine fährt besoffen Auto, der andere klaut in Luxus-Geschäften, ein anderer braust nach einem Unfall einfach davon: Berlin leidet am stark zunehmenden Missbrauch der diplomatischen Immunität.
Auf den Straßen Berlins verstoßen Diplomaten und ihre Familienangehörigen immer häufiger gegen die Etikette. Hemmungslos wird falsch geparkt, gerast, auch Alkohol am Steuer ist keine Seltenheit. Die Zahl der diplomatischen Verkehrssünder steigt und steigt, stellte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in der Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage fest. Im Vorjahr registrierten die Berliner Beamten demnach 12.025 Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. 2006 waren es noch 10.179 Verstöße. Andere Delikte kommen erst gar nicht in die Statistik.
Sorgen müssen sich die zahlreichen ausländischen Botschafter samt Anhang in Berlin nicht machen: Weder Ordnungswidrigkeiten noch Straftaten haben Konsequenzen. Diplomatische Immunität schließe jede inländische Strafverfolgung aus, schrieb der Innensenator. Alle Verfahren mussten eingestellt werden - nach Paragraf 170 der Strafprozessordnung. Ermittelt wurde häufig gegen betrunkene ausländische Autofahrer mit Diplomatenstatus oder solche, die nach einem Unfall einfach davonbrausten oder bei Rot über eine Kreuzung donnerten und andere in Gefahr brachten. Auch wegen Körperverletzung oder Diebstahls schrieben die Polizisten zunächst Anzeigen. Doch viel mehr passiert oft nicht.
Frau wie eine Sklavin gehalten
Erst Anfang des Jahres berichteten Zeitungen in der Hauptstadt über eine indonesische Hausangestellte, die sich den ausstehenden Lohn für mehrjährigen Dienst bei einem Botschaftsmitarbeiter aus dem Jemen erkämpfte. Er soll die Frau wie eine Sklavin gehalten haben. Auch hier schützte die diplomatische Immunität. «Für viele Polizisten ist das wirklich frustrierend, ihre Arbeit ist für den Papierkorb», sagt der Vorsitzende des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus, Peter Trapp (CDU). Und die Hauptstadt-Bewohner, die öfter Knöllchen oder Bußgelder kassieren, seien zunehmend erbost über die Leute mit Privilegien. «Die sollten sich überlegen, wie das wirkt, wenn Gesetze des Gastgeberlandes nicht geachtet werden.» Das Auswärtige Amt sollte den Botschaften ins Gewissen reden, empfiehlt er.
Beutezüge in Luxus-Kaufhäusern
Besonders häufig negativ fielen nach der Statistik des Innensenators Vertreter aus Saudi-Arabien, Russland, Ägypten und China im Vorjahr auf. Demnach müssten sich Griechen und Iraner gebessert haben, die noch 2006 genannt wurden. Trapp verfolgt die Entwicklung mit Sorge. «Seit 2005 hat sich die Zahl der Ordnungswidrigkeiten von Angehörigen diplomatischer Vertretungen fast verdoppelt», hat er festgestellt. In Polizistenkreisen ist auch zu hören, dass schlecht bezahlte Botschaftsangehörige armer Länder in Berlin regelrecht auf Beutezüge in Luxus-Kaufhäusern gingen. Das Auswärtige Amt wird stets informiert, wenn Rechtsverstöße von diplomatischem Personal aktenkundig werden. Das Amt setzt selbst auch Botschafter in Kenntnis, wenn deren Personal in Straftaten verwickelt ist. Falls sich Verstöße bei bestimmten Personen häufen, werde das Gespräch mit der betreffenden Botschaft gesucht und notfalls der Botschafter einbestellt, erläutert eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Die schärfste mögliche Sanktion von deutscher Seite sei es, jemanden zur unerwünschten Person zu erklären, der die Bundesrepublik dann verlassen müsse. Soweit komme es aber selten. Auch der Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg, weiß aus seiner Erfahrung, dass nach aufgeflogenem Schmuggel von Rauschgift und Kulturgütern im Diplomatengepäck oder Spionage die Probleme diskret aus dem Wege geschafft werden: «In ein paar Wochen sind solche Leute weg - abberufen und woanders neu eingesetzt», sagt Schönberg. (dpa)