Diese Taube fliegt mit Tempo 100

Sie ist die Schnellste im ganzen Land: Eine Brieftäubin aus dem Saarland hat sich bei Wettflügen gegen zig Tausend Konkurrenten durchgesetzt. Sie kommt locker über Tempo 100
dpa |
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Immerhin heißt sie auch "Miss Germany": Diese Täubin ist dem Saarland, hier in den Händen ihres Züchters Frank Selgrath, ist die schnellste Taube Deutschlands.
Immerhin heißt sie auch "Miss Germany": Diese Täubin ist dem Saarland, hier in den Händen ihres Züchters Frank Selgrath, ist die schnellste Taube Deutschlands.

Winterbach  – Sie ist ein gurrender kleiner Star: die Brieftaube mit der Ringnummer 716 aus dem saarländischen Winterbach. Die blaue Taubendame mit dem grünvioletten Hals hat sich bundesweit an die Spitze geflogen: Mit ihren fliegerischen Höchstleistungen ist sie gerade als schnellste Brieftaube Deutschlands – oder sogenanntes erstes As-Weibchen – ausgezeichnet worden. „Es ist die schnellste Täubin, die ich je gehabt habe“, sagt Züchter Frank Selgrath (47), der schon als Kind mit dem Brieftaubensport begann. „Sie ist sensationell.“

Die Punkte für ihren Sieg holte sich die zweijährige „Miss Germany“, wie Selgrath sie liebevoll nennt, im vergangenen Jahr bei elf Wettflügen. „Sie war jedes Mal in der Spitze“, sagt der gelernte Vermessungstechniker, der 100 Brieftauben in seinem Taubenschlag hat. Sie startete mit Tausenden anderen Tauben in Frankreich, mal 600, 500 oder 400 Kilometer vom heimatlichen Winterbach entfernt. Bei Windstille fliege sie im Schnitt mit Tempo 80, erzählt Selgrath. Bei Rückenwind sind auch satte 120 Stundenkilometer drin.

In Dortmund wurde Selgrath jetzt vom Verband Deutscher Brieftaubenzüchter (Essen) für seine Super-Taube geehrt. Mit einer anderen Täubin aus seinem Schlag – seiner „Miss Saarland“ – räumte er auch noch den Saarland-Meistertitel ab. Bei Wettflügen sei der Ablauf genau festgelegt, sagt Thomas Dümmermann vom Verband. Die Brieftauben werden mit Speziallastwagen, dem sogenannten Kabinenexpress, zum Startpunkt gebracht – wo sie dann „aufgelassen“ werden, um den Heimflug anzutreten. Sie sind mit einem elektronischen Chip ausgestattet; per GPS wird die Luftlinie zum Ziel ausgerechnet. Erreicht die Taube dann ihr Zuhause, werden die Flugdaten an einer elektrischen Antenne registriert.

Sie orientiert sich an den Magnetfeldern der Erde

Wie die Brieftaube den Weg nach Hause findet, ist bis heute nicht endgültig wissenschaftlich geklärt. „Aufgrund der Magnetfelder der Erde weiß sie beim Start grob, in welche Richtung sie muss“, sagt Dümmermann. Näher am Ziel orientiere sie sich an Dingen, die sie mit ihren Augen erkenne – etwa Straßen und Flüsse. Züchter Heijo Kammer (76), der mit Selgrath zusammen eine „Schlaggemeinschaft“ bildet, ist bei der Ankunft der Tauben begeistert: „Ich bin immer fasziniert, wie eine Taube nach langer Strecke wie von einem Magneten angezogen nach Hause kommt“, sagt er in St. Wendel.

Doch der Brieftaubensport leidet unter Nachwuchsproblemen. Vor zehn Jahren gab es bundesweit rund 60 000 Züchter, heute sind es noch 40 000, sagt Dümmermann, Redakteur bei der Verbandszeitung „Die Brieftaube“. Die meisten seien zwischen 60 und 70 Jahre alt. Es sei heute schwer, junge Leute für das Hobby zu gewinnen. Weil es sehr zeitaufwendig ist, einiges kostet und es viele andere Freizeitangebote gibt. „Wer heute als Junger dabei ist, stammt aus einer Taubenzüchterfamilie“, sagt Selgrath. Er meint, dass es das Hobby in 30 Jahren nicht mehr geben wird.

In anderen Ländern dagegen kommen Menschen gerade jetzt erst so richtig auf die Taube. In Portugal, Polen und China boome das Hobby regelrecht, sagt Kammer, der seit 1947 dabei ist. „Auch bei den Jungen.“ Mutterland des Brieftaubensports ist Belgien. In Deutschland leben ein Drittel der Züchter in Nordrhein-Westfalen – weitere Hochburg ist laut Verband das Saarland.

Früher wurden Brieftauben zur Übermittlung von Nachrichten eingesetzt. Die Taubenpost ist aber heute mit den modernen Kommunikationsmitteln ausgestorben. Auch Selgrath halten seine Tauben auf Trab. Vor allem im Sommer, wenn die Wettflüge anstehen. Im Winter bleiben die Vögel im Schlag im Garten, auch aus Furcht vor Habichten und Falken. Wichtiges Thema derzeit ist die anstehende Paarung. „Ich mache mir wochenlang Gedanken, wie ich die Tauben verpaare“, sagt er. Denn beim Brieftauben-Züchten komme es vor allem auf „den richtigen Mix von Intelligenz und Athletik“ an. „Miss Germany“ wird ihre Gene im Frühjahr weitergeben: Sie wird nun bei Selgrath ausschließlich als Zucht-Taube eingesetzt.

 

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