Die wilden Partys von Ischgl: Schussfahrt von Piste zu Piste

„Fliegende Hirsche“, „Kuhstall“-Wahnsinn und Dramen in der „Schatzi-Bar“: Ein ganz normaler Abend am Alpen-Ballermann. Die Apres-Sause von Ischgl: Nirgendwo wird hemmungsloser gefeiert zwischen Piste und Piste.
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Auf der Theke ist Gogo-Tänzerin Sandra in ihrem Element.
Mike Scmalz Auf der Theke ist Gogo-Tänzerin Sandra in ihrem Element.

„Fliegende Hirsche“, „Kuhstall“-Wahnsinn und Dramen in der „Schatzi-Bar“: Ein ganz normaler Abend am Alpen-Ballermann. Die Après-Sause von Ischgl: Nirgendwo wird hemmungsloser gefeiert zwischen Piste und Piste.

Der Abend beginnt für Jan in der „Hexenküche“. Und er beginnt gut. Es ist laut. Es ist eng. Alle, wirklich alle, sind gut drauf. Auch Martina, die Jan beim „Fliegerlied“ kennen gelernt hat. Jetzt, als „Ein Stern der Deinen Namen trägt“ gespielt wird, legt der Niederländer bereits seinen Arm um die Blondine. Dass seine Frau zu Hause in Holland auf ihn wartet? „Heute habe ich das vergessen“, sagt Jan. So ist das eben beim Après-Ski in Ischgl.

Mag sein, dass es Skifahrer gibt, die wegen der schönen Pisten kommen. Aber mal ehrlich: Nur wegen des weißen Sandstrands fährt auch keiner zum Ballermann. Gerade erst hat der ADAC-Ski-Guide den 1500-Seelen-Ort in Österreich zum besten Après-Ski-Gebiet der Alpen gekürt. Nirgendwo ist der Weg von der Piste (aus Schnee) zur Piste (an der Bar) näher. Und nirgendwo wird hemmungsloser gefeiert.

Es ist erst 15 Uhr, doch das stört die vier Jungs aus Heilbronn wenig. Vier „fliegende Hirsche“ haben sie gerade bei Martin bestellt. Der Barkeeper im „Fire&Ice“ versenkt die kleinen, geöffneten Jägermeisterflaschen in das mit Red Bull gefüllte Glas und stellt es den Junggesellen auf die Theke. Williams Birne und Bacardi- Cola gehen dieses Jahr gut. Auch besonders beliebt: Absinth mit Staubzucker. „Wohl deshalb, weil es wie Koks aussieht“, glaubt Martin. Es gibt „Die Lawine“, eine Kreation aus Wodka und einer in Zucker gewendeten Zitronenscheibe und „Flügerl“ (Roter Wodka mit Bull). Martins „Tote Meersau“, eine hochprozentige Mischung aus Jägermeister, Bull und kleinem Feigling für 7,50 Euro, bleibt aber der Hit: „Fünf Stück hat einer davon neulich geschafft. Danach war allerdings Sense.“

„Zeigt doch mal die Möpse“

Im „Kuhstall“ gegenüber ist derweil der Wahnsinn ausgebrochen. Unterhalten ist nicht möglich. Die Musik sagt alles. „Zeigt doch mal die Möpse“, spielt DJ Marco. Dann „Sweet Caroline“. Später „Tränen lügen nicht.“ Oder „Hörst Du die Regenwürmer husten“. Das Niveau sinkt minütlich. Susi, die unten dicke Skischuhe, oben nur ein dünnes Top trägt, vergnügt sich mit Peter, einem Schlacks im Pistensau-T-Shirt. Jens aus Aalen benutzt sein Weißbierglas als Gitarre. Luc und Stan, die gestern als Nonnen, heute im Schottenkostüm unterwegs sind, lüpfen ihre Röcke: „Die Frauen stehen darauf.“

Vielleicht sind es Typen, wie Alf, die Après-Ski in Ischgl zu dem gemacht haben, was es heute ist. Ein Verrückter, klar. Aber auch einer, der die Leute begeistern kann. Wenn er durch seine „Champagnerhütte“ läuft und die Magnum- Flasche auf die Schulter nimmt, ist der 44-Jährige in seinem Element. Gerne zeigt er dann Fotos von den Promis, die hier waren und auf seinem Handy verewigt sind. Naddel ist drauf. Handballer Pascal Hens ist zu sehen. Außerdem ein paar Mädels, die erstaunlich wenig anhaben. 43 Liter Champagner hat Alf neulich verkauft. Wohlgemerkt an einem Abend. Die letzte Sechs- Liter-Flasche Dom Perignon (Stückpreis 8000 Euro) ist vor zwei Wochen weggegangen. „Aber ich bin mir ganz sicher, dass es heute mal wieder so weit ist.“

Gogo-Tänzerinnen im weißblauen Dirndl

Natürlich spielen sich an so einem Abend auch Dramen ab. Zum Beispiel in der „Schatzi-Bar“,wo Gogo-Tänzerinnen im weißblauen Dirndl auf den Tischen stehen und sich von den Männern Euroscheine in ihren Strapshaltern stecken lassen. Zweimal hat das heute auch Bjarne schon gemacht. Der blonde Däne ist restlos betrunken und nebenbei felsenfest davon überzeugt, in den letzten vier Tagen in Ischgl fünf Frauen gehabt zu haben. Wirklich verliebt hat er sich aber anscheinend nur in die wasserstoffblonde Gogo-Tänzerin, der er schon wieder einen Fünfer zusteckt. Er wird das heute Abend noch oft tun. Und sich morgen wundern, wo das ganze Geld geblieben ist.

Man darf an so einem Abend auch der „Trofana Alm“ nicht vorbeigehen. Alle gehen dahin. Wirklich alle. Ossis. Wessis. Engländer. Holländer. Deutsche. Sportliche. Unsportliche. Muskelbepackte in zu kleinen T-Shirts. Skihasen in schicken Overalls. Knapp 1000 sind’s insgesamt. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 100 Prozent. Die Temperatur erreicht gefühlte 40 Grad. Auch deshalb sind Zahnarzthelferin Sandra (28) und Handyverkäufer Michael (29) lieber mal vor die Tür geflüchtet. Oder wollten sie einfach allein sein?

Letzte Nachrichten: Alf hat die Sechs-Liter-Flasche an eine Gruppe aus London verkauft. Sandra und Michaelwollen jetzt ins Hotel gehen. Peter hat sich von seinem Pistensau- T-Shirt getrennt und tanzt mit freiem Oberkörper auf der Bar. Nur Martin, der fesche Holländer, ist nicht mehr zu sehen. Vielleicht telefoniert er ja gerade mit seiner Frau.

Daniel Aschoff

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