Die Wahl der Qual
Sie klopft knallharte Manager weich, verpasst Boxern gegen Bares einen Kinnhaken und steckt Vorstandsvorsitzende ins Ballettkleidchen: Was die AZ bei Münchens exklusivster Domina erlebte
Von Timo Lokoschat
Ich hatte Angst. Besonders vor den Herren aus unserer EDV-Abteilung, davor, dass sie die Internet-Protokolle lesen. Sehen, dass ich mich auf Seiten wie Peitsche.de herumgetrieben habe. Und das während der Arbeitszeit! Mir reichte ja schon der verstörte Blick der Praktikantin, als sie beobachtete, wie ich mir die Telefonnummer von „Comtesse Desiree“ notierte, Münchens exklusivster Domina.
Der erste Anruf. „Junger Mann, Sie dürfen mich gerne besuchen“, sagt eine Frau mit feiner, fröhlicher Stimme – und setzt, etwas fester, nach: „Unter einer Bedingung.“
Unter einer Bedingung? Auweia, denke ich. Soll ich das Interview etwa in kurzen Hosen führen? Auf Knien? Gefesselt? Mit Augenbinde? Gar im Mad-Max-Mosley-Outfit? Als ich ihre Antwort höre, wird mir allerdings klar, wer hier die schmutzigen Gedanken hat. Die Bedingung lautet: „Ich mache den Kaffee, Sie bringen Kuchen mit.“
High Heels, mit denen man drei Pudel auf einmal aufspießen könnte
Ankunft vor der Tür einer Penthousewohnung im Münchner Gewerbegebiet.
Daneben: ein glänzendes Messingschild.
Darauf: die Gravur „Zentrum für psychisch-dynamische Rollenspiele“.
Dahinter: eine andere Welt.
Die Comtesse öffnet. Eine Blondine schlank wie ihr Arbeitsgerät, die Gerte. In einer Garderobe, gegen die das „Domina-Outfit“ von Ex-Landrätin Gabriele Pauli wirkt wie aus dem Katalog für Landhausmode. Sie trägt schwarze Lederhandschuhe, so lang wie die vom Rindertierarzt, einen knallroten Overall und High Heels, mit denen man drei Pudel auf einmal aufspießen könnte.
Ich darf ablegen, den Mantel, versteht sich. Er wandert in einen Kleiderschrank, hängt jetzt zwischen einem roten Latex-Ganzkörperanzug und einer Kombination, die mich an meine frühere Mathematiklehrerin erinnert. Durchaus gewollt, wie ich später erfahre.
An den Gittern hängt ein Fleischhammer
Doch zunächst geht’s weiter ins Wohnzimmer, vorbei an der Küche, in der ein zwei mal drei Meter großer Metallkäfig steht. An den glänzenden Gittern hängt ein Fleischhammer. „Für Rainer“, kommentiert die 46-Jährige trocken. Den knallharten Manager, der sich damit weichklopfen lässt.
Die Gabel, mit der wir den mitgebrachten Kuchen zerteilen, gehört glücklicherweise nicht zum Equipment. Ein ganz normales Kaffeekränzchen – wäre da nicht der vergoldete Dildo, der mit der Beiläufigkeit eines Tortenhebers auf dem Marmortisch liegt. „Mein Glücksbringer“, sagt die Comtesse.
Und er scheint zu wirken.
Das hier ist keine schmuddelige Sexhöhle, wie man sie aus RTL2-Reportagen zu kennen glaubt. Die Comtesse thront auf einem Sessel, der mit blaugoldener Wildseide bezogen ist, während wir uns in ihrem 200 Quadratmeter großen, hellen Studio umschauen. Den Whirlpool bewundern. Den Kamin.
Und den Beichtstuhl.
„Den hab’ ich bei Ebay ersteigert“, sagt die Comtesse. „Und sieben Mal elfenbeinfarben gestrichen.“ Er sei hässlich gewesen und heute ihr Stolz. In ihm nimmt sie ihren Kunden die Beichte ab, gern auch im Nonnenkostüm. Dann erzählen Machos und Pantoffelhelden, Promis und Normalos zwischen 26 und 86 Jahren von ihren geheimsten Phantasien. Damit die Domina sie wahr macht.
Oben, in den Spielzimmern.
Eine marmorierte Wendeltreppe führt hinauf. Auf jeder Stufe stehen Pumps. Rote und schwarze, in den Größen 39 bis 48. Für Männer, die zwar meckern, wenn die Gattin stundenlang schuhshoppt, in Wahrheit aber neidvoll auf die Manolo Blahniks schauen.
Die Wunderwelt der menschlichen Psyche
Oben angekommen, fällt der Blick auf eine Schulbank aus der guten, schlechten, alten Zeit. „Brave Buben kommen in den Himmel, böse überall hin“, hat ein Kunde auf die Tafel geschrieben, als er in die Rolle des Schülers geschlüpft ist. „Die Rohrstockliebhaber sterben langsam aus“, sagt die Comtesse, und es schwingt Bedauern mit in ihrer Stimme.
Die Rohrstockliebhaber: Das sind diejenigen, die während ihrer Pubertät nicht mit Supernanny oder Abenteuerurlaub bestraft wurden, sondern handfester. Keine schöne Erinnerung, will man meinen – und hat die Rechnung ohne die Wunderwelt der menschlichen Psyche gemacht: Manche Männer werden offenbar spitz wie Nachbars Fiffi, wenn Comtesse Desiree ihnen im strengen Lehrerinnenkostüm die Anzughosen stramm zieht – wahlweise auch die Hirschlederne.
„Mir macht es Spaß, Männern den Hintern zu versohlen“, sagt sie und lächelt, so, als würde sie sagen „Mir macht es Spaß, Kuchen zu backen“.
Es muss auch nicht immer ein Rohrstock sein, der Angst und Lust verbreitet. Im abgedunkelten Nebenzimmer hängen statt Bildern Schlaginstrumente an der Wand: ein Teppichklopfer etwa, ein Acrylpaddel und eine Reitgerte, die die Besitzerin für uns laut knallen lässt. „Ich schlage nicht einfach drauflos, sondern mit Gefühl.“
Striemen am Allerwertesten des Allerliebsten
Kenner bevorzugen Peitschen aus Fahrradgummi. „Die hinterlassen keine Spuren“, erläutert die Comtesse. Und ersparen abenteuerliche Ausreden, falls die Gattin die Striemen am Allerwertesten des Allerliebsten entdeckt.
„95 Prozent meiner Männer leben in einer festen Partnerschaft“, sagt die Domina. Und: „Ich rette Ehen.“ Tatsächlich würden Fragen wie „Schatz, schlägst du mich noch?“ wohl so manche Silberhochzeit ernsthaft gefährden.
Das Schlagen übernimmt die Comtesse. Ihre Kunden nennt sie Kandidaten. Es solle schließlich nicht nach Mediamarkt und Saturn klingen. Wer Geiz geil findet, ist hier eh falsch. Ihre Preise und Kundenfrequenz will die Comtesse zwar nicht in der Zeitung lesen. Aber so viel sei verraten: Die AZ-Fotografin und ich dachten spontan an eine Umschulung – zum Peitschenhalter oder so.
Die Domina fing anders an: als Simultandolmetscherin für Spanisch und Englisch. Lange arbeitete sie für einen Schweizer Konzern in Bonn, hatte Kontakt zu den höchsten Kreisen – aus denen sich seit zehn Jahren ein Teil ihrer Kundschaft speist.
Der Staatsanwalt lässt sich als „übler Geselle" beschimpfen
„Männer, die beruflich gewohnt sind zu dominieren, suchen sexuell oft das Gegenteil“, doziert die Comtesse. „Die brauchen ein Ventil, wollen sich zur Abwechslung auch mal sagen lassen, wo es langgeht.“ Ambivalenz sei das Zauberwort.
Ambivalent, verdammt ambivalent kann, muss man es wohl tatsächlich nennen, wenn sich der Stardesigner eine Schweinemaske aufsetzt und grunzt. Der Goldschmied im Strampelanzug herumturnt, und der Vorstandsvorsitzende im Ballettkleidchen. Wenn die Comtesse dem Boxer gegen Bares einen gepflegten Kinnhaken verpasst. Und der Staatsanwalt sich beschimpfen lässt – am liebsten als „Jämmerling“, „übler Geselle“ und „Fettklößchen“.
Eine schöne Art sich abzureagieren? „Nein, ich könnte niemals einen Mann schlagen, den ich nicht achte“, sagt die Hausherrin. Ihre Kandidaten seien „intelligent und ritterlich“.
Namen nennt sie keine. „Diskretion ist Ehrensache.“ Zum Beispiel, wenn Comtesse Desiree ihren Untertanen in der Öffentlichkeit begegnet: beim Käfer, am Flughafen, im Golfclub. „Dann schaue ich fast desinteressiert am Herrn vorbei.“
Zum Abschied dürfen wir uns aus der Glasschale mit den Gummibärchen bedienen. Normalerweise ein Trostpflaster: wenn der Hintern schmerzt.
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