Die Problem-Maschine

Nach dem Absturz der türkischen Boeing in Schiphol rätseln Experten über die Ursache. Eine Woche zuvor gab es technische Schwierigkeiten. Noch schweben sechs Passagiere in Lebensgefahr
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Feuerwehrleute untersuchen das Wrack der Boeing. Warum die Maschine abstürzte, ist noch unklar. Möglicherweise fielen die Triebwerke aus.
dpa Feuerwehrleute untersuchen das Wrack der Boeing. Warum die Maschine abstürzte, ist noch unklar. Möglicherweise fielen die Triebwerke aus.

AMSTERDAM - Nach dem Absturz der türkischen Boeing in Schiphol rätseln Experten über die Ursache. Eine Woche zuvor gab es technische Schwierigkeiten. Noch schweben sechs Passagiere in Lebensgefahr

Nachdem die Piloten auf Probleme hingewiesen hätten, sei an dem Flugzeug gearbeitet und ein Problem gelöst worden. Am Montag dieser Woche sollen Piloten einen Start mit der Boeing 737-800 abgebrochen haben, weil das Warnsystem Master Caution aufleuchtete. An der Maschine wurde danach erneut gearbeitet.

Neun Tote, 86 Verletzte – trotz dieser Bilanz des Flugzeugabsturzes der Boeing der Turkish Airways in Schiphol in der Nähe von Amsterdam sind sich in einem Punkt alle Experten einig: Dass so viele Menschen die Bruchlandung überlebten und einige völlig unverletzt blieben, grenzt an ein Wunder.

Alle drei Piloten sterben

Sechs schwer verletzte Passagiere schweben immer noch in Lebensgefahr. Unter den Toten sind auch die drei türkischen Piloten: Sie seien durch eine beim Aufprall auf den Boden herausbrechende Instrumententafel erschlagen worden, sagte Pieter van Vollenhoven, Koordinator der Untersuchungen. Jetzt kam heraus: An Bord der Boeing, die aus Istanbul kam, war ein Deutscher – daneben überwiegend Türken und Niederländer. Der Deutsche wurde leicht verletzt. Er soll 48 Jahre alt sein und aus Nordrhein-Westfalen stammen.

Noch rätseln die Experten über die Absturzursache: Ein Ausfall der Triebwerke gilt als wahrscheinlich, andere Gründe könnten Treibstoffknappheit, ein Navigationsfehler, Übermüdung der Piloten oder Vogelschlag gewesen sein. Die Untersuchung der Wrackteile gingen weiter.

Die Piloten waren von dem Absturz offenbar völlig überrascht. Der Kapitän meldete der Flugkontrolle auf dem Airport Schiphol keinerlei Probleme, als er sich kurz vorher die Landeerlaubnis erteilen ließ.

Ein Insasse erzählte, es habe keine Warnung gegeben. „Wir haben wirklich hart gebremst, aber das ist bei einer Landung ja normal“, sagte Jihad Alariachi. „Dann ging die Nase hoch. Und dann prallten wir auf.“ Augenzeugen am Boden sagten, das Flugzeug sei aus einer Höhe von etwa 90 Metern jäh abgesackt. Auch der Funkverkehr zwischen Cockpit und Tower ließ offenbar nichts Ungewöhnliches erahnen. Jetzt hoffen die Ermittler auf Hinweise von Besatzungsmitgliedern, Passagieren und Augenzeugen.

Interview mit dem Flugsicherheitsexperten Jan Richter

AZ: 125 Menschen überleben den Absturz, neun sterben – würden Sie in diesem Fall von Glück sprechen?

JAN RICHTER: Ja, absolut. Aufgrund des Schadensbildes und der Trümmer ist es erstaunlich, dass nicht mehr Menschen gestorben sind. Ich hätte mit mehr Toten gerechnet.

Was sagen die Bilder über eine mögliche Unglücksursache aus?

Das Flugzeug muss ziemlich heftig aufgeschlagen sein. Wahrscheinlich hatte es auch keine hohe Geschwindigkeit. Wie es genau war, wird sich aber erst später herausstellen.

Mit ihrem Unfalluntersuchungsbüro JACDEC (Jet Airliner Crash Data Evaluation Center) erstellen Sie jährlich eine Statistik zur Sicherheit im weltweiten Flugverkehr. Der Index berechnet sich auch aus der Zahl der Todesfälle pro Flugleistung. Wo liegt Turkish Airlines?

In der aktuellen Übersicht der 60 größten Airlines liegt Turkish Airlines mit einem Index von 3,0 auf dem letzten Platz. Zum Vergleich: Die Indizes aller großen europäischen Fluglinien liegen unter 0,1.

Wieso schneidet Turkish Airlines so schlecht ab?

In der Türkei herrschen andere Rahmenbedingungen. Die Luftaufsichtsbehörde funktioniert anders als hier. Die Kontrollen sind weniger streng als in Deutschland und nicht so transparent. Aber es gleicht sich langsam an.

Warnen Sie davor, mit Turkish Airlines zu fliegen?

Nein, auf keinen Fall. Das ist noch viel zu früh, man weiß nicht, was die Ursachen für den Absturz waren.

Wie ist es mit den so genannten „Billigfliegern"?

Ryanair liegt in der Übersicht auf Platz 8, auch Easyjet oder Air Berlin sind weit vorne. Wenn es nach der Sicherheitstatistik geht, sollte man nur noch mit diesen Gesellschaften fliegen. Allerdings sind diese Airlines noch relativ neu und haben daher eine deutlich kürzere Fluggeschichte als beispielsweise die Lufthansa.

Interview: C. Landsgesell

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