Die Macht der Tracht

Nicht nur zur Wiesn: Warum Dirndl und Lederhosn das ganze Jahr Saison haben. Was eine Volkskundlerin sagt und was die „Maßkrug-Länge“ besagt
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Klassisch schön: Schlagersängerin Claudia Jung im feschen Dirndl auf der Wiesn.
Klaus Primke Klassisch schön: Schlagersängerin Claudia Jung im feschen Dirndl auf der Wiesn.

Nicht nur zur Wiesn: Warum Dirndl und Lederhosn das ganze Jahr Saison haben. Was eine Volkskundlerin sagt und was die „Maßkrug-Länge“ besagt

Wohin wir blicken, es wippen Dekolletés und wallen Dirndlschürzen, und wer sonst gepflegt im Anzug zur Arbeit aufläuft, zeigt sich derzeit lieber in Lederhosen. Bayern stöckelt und stolziert im Trachten-Look, und wer jetzt glaubt, das alles sei nur ein Hinweis darauf, dass gerade Wiesn ist in der Landeshauptstadt, irrt: Tracht-Tragen – das ist mehr als nur eine Oktoberfest-Gaudi, so eine neue Studie. Tracht-Tragen markiert einen neuen Trend: die große Sehnsucht nach einer Heimat.

Zu dem Schluss jedenfalls kommt die Ethnologin Simone Egger in ihrem neuen Buch „Phänomen WiesnTracht, für das sie Wiesn-Besucher und Trachtenverkäufer befragt hat. „Es ist der starke Wunsch nach Identität, der die Menschen in Dirndl und Lederhosen schlüpfen lässt“, sagt die Münchner Volkskundlerin. „Die Gesellschaft wird immer mobiler und flexibler, Unsicherheiten wachsen. Da wird der Wunsch nach Zugehörigkeit, Heimat und Tradition spürbar wichtiger.“

Königin Silvia eroberte im Dirndl Carl Gustaf

Keine Frage, das Dirndl, einst Arbeitsgewand der Bäuerinnen und Mägde, hat den Beigeschmack der Trutscherl-Bekleidung verloren. Nach Jahrzehnten, in denen unter Großstädtern die Tracht für Miefigkeit, alberne Schunkelabende und ein Mitgliedsheft bei der örtlichen CSU stand und von Jugendlichen nicht mal mit spitzen Fingern angefasst wurde, sind Schürzen und Hosenträger schick geworden – und alles andere als peinlich. „Mein Dirndl ist der Kracher“, sagt beispielsweise die PR-Referentin Mirjam H. (29), „ich fühl mich weiblich damit, ich lerne als Blickfang ganz leicht Leute kennen und ich zeige damit, dass ich meine Heimat liebe.“

Vorbei scheint die Zeit des tief ausgeschnittenen MiniDirndls mit Glitzer, Rüscherl oder Herzerlmuster. „Die Leute wollen kein Kasperlgewand mehr“, heißt’s bei Trachten Angermaier. Gefragt sind klassische Modelle in „Maßkrug-Länge“, die besagt, dass höchstens ein Maßkrug unter den Rocksaum zu passen hat.

Die Trachtler feiern 125-jähriges Jubiläum

Die Traditionalisten im Bayerischen Trachtenverband – die sich am Sonntag mit 15000 Trachtlern zum 125. Gründungsjubiläum in Altötting treffen – freut’s. Und immer häufiger sind sie nun damit beschäftigt, Bürgern und Zugereisten zu erklären, wie ein „sauberes“ Dirndl denn auszusehen hat, und wo im Oberland man sich eine Original-Hirschlederne anfertigen lassen kann. Mit der kann man dann, auch ohne sich verkleidet zu fühlen, getrost ins Büro. Irene Kleber

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