Die letzte Inszenierung
Luftballons, Beatles und Tonband-Botschaftenaus dem Jenseits: Wie und warum immer mehr Menschen ihre eigene Beerdigung planen.
Ein schnödes Holzkreuz, eine schlichte Grabplatte, irgendein Marmorstein, und es dem Zufall überlassen, was auf ihm steht? Nein, sagt da F. C. Gundlach, das komme für ihn nicht in Frage. „Ich bin jemand, der die Dinge gerne selbst in der Hand hat. Deshalb habe ich darüber nachgedacht, wie ich mal beerdigt werden möchte.“
Nicht bloß nachgedacht. Bei dem Berliner Architekten Roland Poppensieker hat der Hamburger Star-Fotograf, Galerist und Sammler gleich ein Mausoleum in Auftrag gegeben. Einen jeweils drei Meter hohen wie breiten Würfel, an dessen Stirnseite eine Fotografie von ihm in Beton gegossen ist. Bauzeit: eineinhalb Jahre.
Mag die Umsetzung Gundlachs künftiger Grabstätte am Westring des Ohlsdorfer Friedhofs in Hamburg auch ungewöhnlich sein – die Tatsache, dass sich der 82-Jährige detailliert mit seinem Tod beschäftigt, ist es keineswegs. Im Gegenteil: „Die Menschen befassen sich stärker mit der eigenen Endlichkeit, weil neue medizinische Möglichkeiten auf einmal Entscheidungen über Leben und Tod verlangen, die früher so nicht nötig waren“, sagt Armin Nassehi, Soziologie-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sterben, das sei heute nichts, was „einfach geschieht“. Eher ein Prozess, der „organisiert werden will“.
Wer bereits beim Hauskauf vom Bankberater daran erinnert wird, ein Testament aufzusetzen, wer sich im Falle einer Krankheit mit Fragen der Intensivmedizin befassen muss, der hat auch weniger Berührungsängste, einen Grabstein auszusuchen. „Zu uns kommen deutlich mehr Menschen als noch vor ein paar Jahren“, bestätigt Toni Hanrieder, Vorsitzender des Bayerischen Bestatterverbands.
Für den 54-Jährigen ist die „Bestattungskultur“ einer Gesellschaft Spiegel der Lebenskultur der Menschen. Dass etwa Friedwälder heute so im Trend liegen, die Asche eines Verstorbenen also immer öfter unter einem Baum beerdigt wird, weist nicht nur auf Naturverbundenheit hin – sondern zeugt von der Angst, den Nachkommen selbst im Tod noch auf der Tasche zu liegen. Schließlich ist so eine Bestattung nicht billig.
Nur eine Minderheit will in den Himmel geschossen werden
Durchschnittlich 6000 Euro kostet in Deutschland eine Beerdigung. Seit die Bundesregierung 2004 das Sterbegeld abgeschafft hat, kommen zu Hanrieder immer öfter Menschen, um eine private Sterbeversicherung abzuschließen. „Viele suchen sich dann auch den eigenen Grabstein aus“, so Hanrieder. Meistens einen schlichten Stein. Nur einer Minderheit geht es darum, möglichst spektakulär unter die Erde zu kommen. In den Himmel geschossen, im Meer verstreut, zum Diamanten geschmolzen zu werden. „Die allermeisten möchten ihre Beerdigung einfach gern selber inszenieren“.
Erlaubt ist so ziemlich alles, was gewünscht wird. Champagner am offenen Grab, steigende Luftballons, Musik von Pink Floyd, den Beatles – oder gleich AC/DC. „Die Menschen planen heute viel akribischer ihre Beerdigung als früher“.
Zum Beispiel Metro-Gründer und Multi-Milliardär Otto Beisheim. Obwohl ungebrochen vital, hat er sein irdisches Ende bereits organisiert. Auf dem Friedhof von Rottach-Eggern, direkt vor der letzten Ruhestätte seiner Frau Inge, hat der 84-Jährige seinen Grabplatz gewählt, eine Marmorplatte gekauft. Ganz so, wie man es von einem erfolgreichen Unternehmen vermutet: sehr gewissenhaft.
Oder Gerd Käfer. Seit Jahrzehnten inszeniert der Groß-Gastronom rauschende Feste – vor einigen Jahren begann er damit, genauso professionell für den Tag seines Todes vorzuplanen. Käfer hat eine Kassette besprochen, zehn Minuten lang, in der Kirche sollen seine letzten Worte vorgespielt werden. Anschließend geht es dann zum Familiengrab auf dem Ostfriedhof.
„Wenn ich eines Tages von dieser schönen Welt gehen muss, will ich der Letzte sein, der spricht“, sagt der Feinkost-König. Dann lacht er kurz auf und erklärt, dass bis dahin noch viel Zeit sei. „Ich möchte 100 Jahre alt werden“, so Käfer, „und was ich mir in den Kopf setze, das schaffe ich auch.“
Jan Chaberny