Die Lebenserwartung steigt: Wir werden immer älter

Die Lebenserwartung ist so hoch wie nie: Wer 60 ist, hat noch mehr als 20 Jahre vor sich. Jeder zweite Deutsche, der heute lebt, wird älter als 80 – so sagt es die Statistik. Liegt es an der Ernährung?
BERLIN Jopie Heesters ist ein Phänomen. Als er 1903 zur Welt kommt, liegt die Lebenserwartung einer Studie zufolge bei gerade mal 45 Jahren – und nun, in einem Monat, feiert der Schauspieler und Sänger seinen 107. Geburtstag. Ein seltenes Ereignis. Doch es könnte häufiger werden: Denn die Lebenserwartung in Deutschland steigt und steigt.
Ganz gleich, ob neugeboren oder schon älter: Jeder zweite Deutsche, der heute lebt, wird älter als 80 – so sagt es die Statistik. An der Längerlebigkeit von Frauen gegenüber Männern ändert sich dabei grundsätzlich nichts – auch wenn die Buben mit kleinen Schritten aufholen: Laut der aktuellen Sterbetafel 2007/2009 werden Buben, die heute zur Welt kommen, im Schnitt 77 Jahre und vier Monate alt. Neugeborene Mädchen erreichen ein Alter von 82,5 Jahren. „Dies ist der höchste Stand seit Berechnung der ersten Sterbetafel 1871/1881 für das Deutsche Reich“, weiß Dieter Emmerling vom Statistischen Bundesamt.
Und auch für ältere Menschen steigt die Lebenserwartung: So können sich Frauen, die heute 60 sind, noch auf weitere 24 Jahre und zehn Monate freuen. Für gleichaltrige Männer sieht die Statistik noch 21 Jahre vor.
Für sich genommen klingen die Zahlen nach einem Erfolg – für die Medizin, den technischen Fortschritt und überhaupt die moderne Lebensführung. Doch bedeutet mehr auch gleich besser? Das wird jeder für sich selber beantworten müssen. Die meisten dürften aber zumindest bang auf Gesundheits- und Rentensystem blicken.
Wie wird man eigentlich alt? Um das herauszufinden, muss man sich wohl an jene wenden, die jede Statistik überlebt haben – zum Beispiel Jopie Heesters. Viel wurde schon gerätselt. Ist es die junge Gattin? Oder das tägliche Glas Kölsch? Letztes Jahr verriet der Entertainer in einem Interview seine eigenen Zutaten: „Disziplin, gesundes Leben und die positive Einstellung, dass ich mich als glücklichen Menschen sehe, auch wenn ich mich manchmal etwas einsam fühle.“
Noch viel älter als Heesters heute ist, wurde die Französin Jeanne Louise Calment. Mit 85 lernte sie Fechten. Mit 100 Radeln. Mit 122 Jahren starb sie, das war 1997. Vor ihr und nach ihr verbrachte kein Mensch mehr Zeit auf der Erde. Gefragt nach dem Geheimnis ihres hohen Alters, verwies sie auf ihre Ernährung: viel Olivenöl, Knoblauch, Gemüse und Portwein.
Tatsächlich scheint die Ernährung ein wichtiger Faktor, um alt zu werden. So wird immer wieder vom „Wunder von Okinawa“ gesprochen. Auf der japanischen Insel leben die meisten Hundertjährigen der Welt. Warum ist das so? Forscher haben herausgefunden, Okinawas Super-Alte ernähren sich besonders gesund: Auf dem Speiseplan stehen viel Fisch, Gemüse und Obst. Gleiches gilt für andere Regionen, in denen die Menschen besonders alt werden, etwa Sizilien. Ihr Plus: Olivenöl in großen Mengen.
Alles Ernährung also? Nicht nur. Forscher machen noch andere Einflüsse dafür verantwortlich, wie alt ein Mensch wird, etwa Gene, Umwelt und Glück.
„Stimmt“, würden darauf wohl die Schwestern Raymonde und Lucienne aus dem französischen Saint-George-de-Didonne sagen. Sie sind laut Guinnessbuch die ältesten Zwillinge der Welt, erst im September haben sie 98. Geburtstag gefeiert. Ihr Rezept? „Lebensfreude“. Die erhalten sie sich mit Kartenspielen und einem Glas Whisky, beziehungsweise Anis-Schnaps täglich.
An ihrem Titel sollten sie ihr Glück allerdings nicht hängen. Der könnte bald weg sein. Gleich zwei Zwillingspaare haben in den vergangenen Tagen ihren Hundertsten gefeiert, einmal in Belgien, einmal in Großbritannien. Und wen würde es wundern, wenn sich nicht bald auch Deutsche ins Rennen einmischen... Vanessa Assmann