Die Kirche und der Missbrauch: Das Oster-Geschwätz

Viele Bischöfe verurteilen die Übergriffe. Doch der Papst schweigt zur Krise und sein höchster Kardinal sorgt für einen Skandal: Er nennt die Kritik „Geschwätz“ und brüskiert damit die Opfer
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Papst Benedikt XVI. spendet den Segen "Urbi et Orbi"
dpa Papst Benedikt XVI. spendet den Segen "Urbi et Orbi"

Viele Bischöfe verurteilen die Übergriffe. Doch der Papst schweigt zur Krise und sein höchster Kardinal sorgt für einen Skandal: Er nennt die Kritik „Geschwätz“ und brüskiert damit die Opfer

An Ostern schaute die Welt auf die katholische Kirche und ihre Vertreter: Viele deutsche Bischöfe sprachen deutliche Worte über den Missbrauch, mahnten zur Umkehr. Trotzdem ist der nächste Skandal da: Der Papst sparte das Thema Missbrauch aus und sein höchster Kardinal, Angelo Sodano, sorgte mit seinen provokanten Worten für Wut und Verständnislosigkeit bei Opferverbänden.

Der Kardinaldekan Sodano ergriff zu Beginn der Osterfeierlichkeiten das Wort und wandte sich, abweichend vom Protokoll, direkt an den Papst: „Heiliger Vater, das Volk Gottes ist mit Dir und wird sich nicht von dem unbedeutenden Geschwätz des Augenblicks beeindrucken lassen.“ Sodano würdigte Benedikt als einen Fels, der die Kirche aufrecht erhält. Der Papst selbst hatte am Palmsonntag die Christen aufgefordert, sich „nicht vom Geschwätz der vorherrschenden Meinung einschüchtern zu lassen“.

Zuletzt war Benedikt auch wieder aus den USA angegriffen worden. Das offenbar veranlasste Sodano zu seiner Erklärung. Dennoch empfanden Opferverbände den Auftritt als Affront. De Leiterin des US-Opferverbands SNAP, Barbara Blaine, bezeichnete Sodanos Rede als beleidigend. Den Opfern gehe es um Trost und Heilung, ihre Aussagen sollten nicht als „unbedeutendes Geschwätz“ abgetan werden.

Der Papst selbst ging auf den Missbrauchsskandal nicht ein. Die Menschheit brauche das Heil des Evangeliums, „um aus einer Krise herauszukommen, die tief ist und als solche tiefe Veränderungen verlangt“, sagte er.

Am Karfreitag bereits hatte Benedikts Hausprediger Raniero Cantalamessa sich harsche Kritik aus Israel, Italien und den USA eingehandelt, als er die Attacken auf Papst und Kirche mit Antisemitismus verglichen hatte. Am Sonntag entschuldigt sich Cantalamessa dafür.

Offensiv prangerte auch die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ die Öffentlichkeit an. Es gebe „eine grobe Propaganda gegen den Papst und die Katholiken“.

In Deutschland war der Ton viel defensiver. Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, schrieb in seiner Osterbotschaft: „Mit Blick auf die Missbrauchsfälle durchleben wir als katholische Kirche augenblicklich schmerzlich aufrüttelnde und betrüblich turbulente Monate. Die schrecklichen Taten zehren gewaltig an unserer Glaubwürdigkeit als Kirche.“

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx   zitierte den ersten Korintherbriefs des Apostels Paulus: „Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid.“ Welche Folgen eine falsche Durchsäuerung habe, „haben wir als Kirche in den letzten Wochen deutlich gespürt“. Der Passauer Bischof Wilhelm Schraml sagte: „Wir stehen mit tiefer Scham vor diesem unfassbaren, verbrecherischen Geschehen.“ ta

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