Die Frauen des Papstes

Sie telefonieren, übersetzen, managen und entscheiden: Unter dem deutschen Papst Benedikt XVI. gibt es soviele weibliche Angestellte im Vatikan wie noch nie.
MÜNCHEN "Pronto, Vaticano?" Wer im Vatikan anruft, wundert sich – im Kirchenstaat melden sich Frauenstimmen. Freundlich, leise beantworten sie Fragen, stellen Anrufer zu den 8500 Nebenstellen des Vatikans durch – bloß Papst Benedikt XVI. (80) steht nicht in ihrem 260 Seiten starken vatikanischem Telefonbuch.
Dafür aber Elisabeth Braunbeck, Judith Zoebelein, Sigrid Spath, Christine Grafinger und weitere 600 Frauen, die täglich hier ihren Job als Theologin, Informatikerin, Dolmetscherin, Bibliothekarin oder Juristin verrichten. Inzwischen sind rund 15 Prozent der Angestellten des Papstes weiblich. Und es werden immer mehr.
Autorin Gudrun Sailer hat für ihr Buch "Frauen im Vatikan" das Leben der Angestellten beobachtet, ein Leben mit dem Papst als Chef.
Nur ein paar Flure trennen auch Schwester Maria Grazia von ihrem Boss: Sie arbeitet jeden Tag zwölf Stunden im vatikanischem Call- Center. "Bei uns treffen täglich mehrere hundert Anrufe ein", sagt die dienstälteste Telefonistin.
"Der Vatikan ist nicht frauenfeindlich"
Weibliche Belegschaft: Kein neues Phänomen im Kirchenstaat. "Haushälterinnen von Kardinälen gibt es schon lange", so Sailer. "Dass Frauen auch hohe Funktionen in der Kurie besetzen, ist aber neu." 2003 ernannte Papst Johannes Paul II. erstmals eine Frau zur Präsidentin für eine päpstliche Akademie. Eine Schlüsselposition zur Welt nimmt auch Judith Zoebelein ein: Mit ihrem Team ist sie für den Internetauftritt des Vatikans verantwortlich.
"Gott wohnt im Internet", sagt sie. "Im Web, in dem es so viel Schund gibt, soll unsere Seite ein heiliger Ort sein."
Damit das Wort des Deutschen Benedikts XVI. auch in Englisch, Französisch und Italienisch zu verstehen ist, gibt es Philologin Sigrid Spath. Sie übersetzt den Großteil der päpstlichen Reden und amtlichen Dokumente. Für seinen Vorgänger, Papst Johannes Paul II., lernte sie sogar dessen Muttersprache. "Ich spreche zwar kein Polnisch, aber ich kann es lesen und mit Hilfe eines Wörterbuches übersetzen."
Eine Frau zu sein, obendrein eine Protestantin, bereitete Spath kein Problem. "Ich habe das im Vatikan nie als Manko erleben müssen." Dennoch meint Schriftstellerin Sailer: "Natürlich gibt es für Frauen Hindernisse in manchen Köpfen. Aber klipp und klar: Der Vatikan ist nicht frauenfeindlich."
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sei übrigens selbstverständlich – und putzen dürften im Petersdom nur Männer.
"Gottes möchtige Dienerinnen"
Eine rasante Kirchenkarriere machte auch Schwester Pascalina vor rund 90 Jahren: Von einer einfachen Haushälterin stieg sie zur Privatsekretärin und Vertrauten von Papst Pius XII. auf. 40 Jahre lang diente sie ihm treu – rein platonisch.
"Pascalina hat auf Pius XII. aufgepasst und ihn, wenn nötig, von der Öffentlichkeit abgeschirmt", sagt die Augsburgerin Martha Schad, Autorin von "Gottes mächtige Dienerin". Aus aller Welt hat sie bislang unveröffentlichte Briefe über die so genannte "Hüterin des Papstes" zusammengetragen.
Als Schwester Pascalina nach "bewegten Jahren der Kirchengeschichte" vor 25 Jahren starb, glich die Gästeliste ihrer Trauerfeier dem Who is Who der katholischen Kirche. Auch Kardinal Ratzinger würdigte ihre Verdienste – vielleicht arbeiten deshalb unter ihm als Papst so viele Frauen wie nie zuvor.
Alexandra Schulz