Die Fehldiagnosen des „Dr. Frankenstein“

Ein Neurologe attestiert Patienten in den Niederlanden fälschlicherweise Krankheiten wie Alzheimer. Nach der Entlassung praktiziert er in Deutschland.
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Der Mediziner Jansen bei der Fahrt zum Gericht
dpa Der Mediziner Jansen bei der Fahrt zum Gericht

Almelo - „Sie haben Alzheimer“. „Sie haben Parkinson“. Mit solchen Schreckensbotschaften hat der niederländische Ex-Neurologe Ernst Jansen (68) über 20 Jahre immer wieder Patienten entsetzt. Wegen falscher Diagnosen, unnötigen Therapien und Hirn-Operationen steht „Dr. Frankenstein“, wie Medien Jansen nennen, jetzt im niederländischen Almelo vor Gericht. Mit auf der Anklagebank sitzt auch ein System, das den dubiosen Mediziner deckte. Sogar deutsche Kliniken sind in den Skandal verwickelt.

Jansens Fehldiagnosen zogen seinen Patienten den Boden unter den Füßen weg . Jahrelang schluckte ein 54-Jähriger, bei dem der Neurologe Alzheimer erkannt haben wollte, schwerste Artzney. Eine Untersuchung bei einem anderen Arzt ergab: Der Mann hatte einen Burnout. Offenbar hatte Jansen Testergebnisse gefälscht. Eine weitere Patientin von „Dr. Frankenstein“ nahm sich nach einer Horror-Diagnose sogar das Leben.

Mehrere Patienten soll Jansen gemeinsam mit einem Kollegen zudem unnötig am Gehirn operiert haben – meist ging es dabei um die Entnahme von Gewebeproben. Einige Patienten starben nach den Eingriffen. Über 200 irrsinnige Diagnosen werden dem Mediziner zugeschrieben. 2003 musste Jansen die Klinik in Enschede verlassen. Aber nicht wegen seiner Fehler, sondern weil er beim Diebstahl von Rezepten erwischt worden war. Kurz darauf meldeten sich Kollegen und sprachen Jansens Fehldiagnosen an. 220 Ex-Patienten meldeten sich. Doch erst einmal passierte gar nichts. Denn Jansen galt in seinem Gebiet noch als Koryphäe.

Erst auf Druck von Medien und Öffentlichkeit leitete die Staatsanwaltschaft 2009 Ermittlungen ein. Jansen wurde aus dem niederländischen Ärzteregister gestrichen. In Deutschland konnte „Dr. Frankenstein“ aber ungestört weiter praktizieren. Zum Beispiel an Kliniken in Worms und Heilbronn. Jansen hatte sich einfach unter einem anderen Namen bei Personalagenturen registrieren lassen und Teile seiner Biografie weggelassen. Erst als holländische Journalisten dem Neurologen in Deutschland auf die Spur kamen, flog der Schwindel auf. Opfer-Anwalt Yme Drost hält den deutschen Behörden wenigstens zugute, dann schnell gehandelt zu haben. In den Niederlanden habe das „Jahre gedauert“.

Jansen selbst gibt den überlasteten Arzt. Nach einem schweren Autounfall 1990 sei er medikamentensüchtig gewesen. Doch schuldig fühlt er sich nicht. Er habe zwar großes Leid verursacht, aber „immer sorgfältig gehandelt“. Der Neurologe räumt lediglich ein, von einer Stiftung 88.000 Euro unterschlagen zu haben: „Ich habe davon gut gelebt.“ Im Februar will das Gericht das Urteil über „Dr. Frankenstein“ fällen. Jansen drohen bei einer Verurteilung bis zu zwölf Jahre Haft.

 

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