Die Ente: Mehr als nur ein Auto

Vor 20 Jahren lief in Portugal der letzte 2CV vom Band. Damals war die Ente Studentenauto, heute ist sie Nostalgieobjekt. AZ-Redakteure erinnern sich an die goldenen Zeiten des Autofahrens
von  Abendzeitung
Zweierbeziehung: Die Ente und ihre Besitzerin
Zweierbeziehung: Die Ente und ihre Besitzerin © AP

Vor 20 Jahren lief in Portugal der letzte 2CV vom Band. Damals war die Ente Studentenauto, heute ist sie Nostalgieobjekt. AZ-Redakteure erinnern sich an die goldenen Zeiten des Autofahrens

Klar, mit der Ente konnte man von A nach B gelangen. Man konnte in ihr liegend schlafen, wenn man die Vordersitze ausbaute. Die Ente hatte vier Räder, ein Lenkrad, einen Motor. Trotzdem war sie nie nur ein Auto, sondern ein Kultobjekt – lange bevor dieses Wort erfunden war.

Der 2CV, wie Citröen, das Gefährt nannte, kostete 1963 umgerechnet 1800 Euro. Das machte die Ente zum Studentenauto – und zum Ausdruck nonkonformistischer und konsumkritischer Lebenshaltung. Noch heute werden gestandene Männer wehmütig, wenn sie eins der noch wenigen Exemplare vorbei fahren sehen. Vor 20 Jahren, am 27. Juli 1990, verließ im Citröen-Werk Mangualde in Portugal der letzte 2CV die Montagehalle. Ein (trauriger) Anlass für einige AZ-Mitarbeiter, sich an die goldenen Zeiten des Autofahrens zu erinnern. mh

„Schneller wurde es nicht“

Erste Häfte der 80er, Reise mit einem Freund nach Südfrankreich. Fortbewegungsmittel: trampen, ganz klar. Wobei der Daumen im Wind zwar auf deutschen Autobahnen bestens funktionierte, aber in der Provinz zwischen Cevennen und Mittelmeer nur begrenzt, besonders für junge Männer. Umso glücklicher waren wir, als eine der zahlreichen Enten auf der Strecke von Millau Richtung Montpellier anhielt. Die Außengestell-Rucksäcke wurden irgendwie auf uns verstaut und los gings über kurvige Straßen durch hügeliges Gelände. So weit, so entspannt, mit knapp 80 km/h und unter unbeholfenem Plaudern ging’s dahin. Da beugt sich mein Mitfahrer plötzlich zu der freundlichen jungen Frau vor und regte in seinem besten Französisch an, dass sie ja auch mal in den vierten Gang schalten könne. Da war es plötzlich vorbei mit der Plauderei – schneller wurde es aber auch nicht.

K. Dreyer

„Es fühlte sich an wie fliegen“

Die Ente war mein erstes Auto. Sein erstes Auto vergisst man sowenig wie die erste Freundin. Die war dunkelharig; meine Ente beige. Und erstens hielt die Ente länger als meine erste Beziehung, und zweitens – wenn ich ganz, ganz ehrlich bin – hatte ich mit der Ente deutlich weniger Probleme als mit meiner Freundin. Ich war jung. Gut, im Winter musste ich die Kiste immer anschieben – 50 Meter weit, bis die abschüssige Straße anfing. Aber im Sommer, mit aufgeklapptem Verdeck – da gab es kein schöneres Auto. Sie fuhr Spitze 140 km/h mit Rückenwind bergab – und jedesmal, wenn dieses ungeheuerliche Ereignis eintrat, flogen die Seitenfester auf und der Tachozeiger verschwand hinter der Anzeigetafel. Fühlte sich an wie fliegen. Am Ende meiner Beziehung zu der Ente habe ich mehr geweint als beim Ende meiner richtigen ersten Beziehung. Naja – fast.

Gerrit Faust

„Ich habe sie geliebt“

Nein, sie hatte kein Navi, kein ABS, keine Klimaanlage und keine gepolsterten Sitze. Nach heutigen Maßstäben war sie eigentlich gar kein richtiges Auto. Und trotzdem: Ich habe sie geliebt, wie kein Fahrzeug danach. Dabei habe ich ihr einmal unsägliches Leid bereitet. Das kam so: Vom 2CV hieß es, er könne in keiner Kurve umkippen. Als Führerscheinneuling, der die Ente zum Abitur bekommen hatte, dachte ich nur: na, prima. Um drei Freunden bei der ersten gemeinsamen Ausfahrt so richtig zu imponieren, nahm ich eine erste, ziemlich scharfe Rechtskurve ziemlich gach. Nein, die Ente kippte auch nicht, obwohl sie sich bedenklich neigte. Aber leider war sie gegen den regennassen Asphalt nicht gefeit und krachte in den Zaun einer Gärtnerei. Der ärgerliche Kommentar des Besitzers: „Das hat ja noch keiner geschafft!“ Meine Ente schon.

M. Heinrich

„Stadu und ich – ein eingespieltes Team“

Aie war rot, kam aus Garmisch und schon auf der Fahrt zurück an den Ammersee hatten wir den ersten Streit: Diese Revolverschaltung wollte einfach nicht so, wie ich es gerade erst in der Fahrschule gelernt hatte. Die Autobahn haben STA-DU-103 und ich deshalb mehr hopsend als fahrend hinter uns gebracht. Fluchend, knatternd, vom Gehupe der anderen Verkehrsteilnehmer ganz zu schweigen.

Nach den Anfangsschwierigkeiten waren wir schnell ein eingespieltes Team. Beim Abi-Streich stand „Stadu“ mangels Musikanlage mit aufgedrehtem Kassettenrekorder mitten auf dem Pausenhof (sie war das einzige Auto in der ganzen Kollegstufe, das zwischen den Pausenhof-Begrenzungspfosten hindurch gepasst hat). Anschließend trug sie ganz ohne Murren fünf Menschen, zwei Hunde und einen Bierkasten an den Germeringer Weiher. Und irgendwann war sie auch nicht mehr böse, wenn sie von meinen Spezln heimlich vom einen Kneipen-Parkplatz auf einen anderen getragen wurde. Ich hab’ sie ja immer wiedergefunden...

An das Ende erinnere ich mich noch genau. In den Fußbereich auf der Beifahrerseite war ein riesiges Loch gerostet, leider nicht die einzige Verletzung meiner Ente. „Als der Schaden die 4000-Mark-Grenze überstieg, hab’ ich aufgehört weiterzusuchen“, sagte der Mechaniker meines Vertrauens. Ich habe geheult wie ein Schlosshund.

N. Kettinger

„Immer auf der rechten Spur“

Kurz nach meinem Schulabschluss lernte ich L. kennen, der mir schnell zum liebsten Freund wurde – und dies immer noch ist. L. hatte damals eine grüne Kastenente, und außerdem hatte er sich einen Wohnwagen hergerichtet im Garten seiner Mutter, in dem er mich manchmal zum Frühstück einlud. Die Ente? Hatte Vorhänge an den hinteren Seitenfenstern, in ihr tuckerten wir durch München, und eins unserer ersten Ausflugsziele waren die Museums-Lichtspiele. Dort sahen wir uns gemeinsam „Victor und Victoria“ an. Ich weiß nicht mehr viel über diesen Film, außer dass er lustig war und dass darin eine Küchenschabe vorkam. Aber immer werde ich in Verbindung mit dem Film an L. denken und seine grüne Kastenente mit den Vorhängen, mit der wir dann wieder nach Hause gefahren sind. Immer schön auf der rechten Spur.

Andrea Kästle

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