Deutschlands meistgejagter Verbrecher: Wo ist Thomas Wolf?
Er raubte Banken aus und entführte eine Frau. Seit 2000 ist der heute 56-jährige Thomas Wolf untergetaucht. Doch Fahnder haben jetzt eine neue Spur.
MÜNCHENEr könnte Ihnen in diesem Moment in der U-Bahn gegenüber sitzen. Er könnte der freundliche Herr sein, der Ihnen beim Bäcker die Tür aufhält. Thomas Wolf ist einer der meistgesuchten Verbrecher Deutschlands. Und er ist ein Meister der Verstellung: Freundlich, unsichtbar. Seit 2000 jagt die Polizei den mehrfachen Bankräuber und Entführer, ohne Erfolg. Doch vielleicht kommt jetzt der Durchbruch: Am Mittwoch war der Fall Thema in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst".
Offenbar fühlt sich Wolf ziemlich sicher: In den vergangenen fünf Wochen ist der 56-Jährige quer durch Deutschland gereist und hat überall Spuren hinterlassen. Auch in München verbrachte Wolf drei Tage (AZ berichtete). Er war in einer Edeka-Filiale, besorgte sich neue Klamotten beim Textildiscounter "Kik" und kaufte bei einem Fahrradhändler ein dunkelblaues Herrenrad der Marke "Winora".
Seine Dreistigkeit ist sein Geheimrezept
All das weiß die Polizei, weil sich Wolf nie Mühe gibt, seine Spuren zu verwischen. Die Kassenbons aus den Münchner Geschäften fand die Polizei vergangenen Freitag im Fluchtauto, einem VW Golf. Wolf hatte das Auto in einem Waldstück in der Nähe des niedersächsischen Harpstedt zurückgelassen. Die Räder waren in den morastigen Boden eingegraben, offenbar kam er nicht mehr weg. Die Polizei vermutet, dass Jäger ihn aufschreckten und er hastig die Flucht ergriff – auf seinem Fahrrad, ohne Sattel.
Diese hektische Flucht in den Wald passt nicht zu Thomas Wolf: Er bewegt sich normalerweise völlig ungerührt in der Öffentlichkeit. Seine Dreistigkeit ist sein Erfolgsrezept. Ende März kam er nach Berlin – vier Tage, nachdem er in Wiesbaden die Ehefrau eines Bankiers entführt und von ihm 1,8 Millionen Euro erpresst hatte. In Berlin suchte er ganz offensiv nach einer Wohnung, unter anderem per Suchanzeige im Internet. Zwischendurch klaute er in einem Parkhaus zwei Autokennzeichen. Nächste Station nach Berlin und München war Bremen. Dort ging er ungerührt im Hallenbad schwimmen.
Er hält sich für so grandios - er glaubt, er wird nie gefasst
Für Kriminologen ist Wolf ein Faszinosum. Er hat nie einen Beruf gelernt, ist seit seiner Jugend kriminell. Im Knast hat er den Hauptschulabschluss gemacht. Er spricht fließend Englisch und Niederländisch, kann in Fremdsprachen Dialekte nachahmen. Außerdem hat er Russisch- und Französischkenntnisse.
Nach seiner Flucht aus der JVA Moers Ende 1999 lebte er immerhin mehr als neun Jahre lang unerkannt im noblen Westen Frankfurts mit einer Lehrerin zusammen. Für sie war er der niederländische Geschäftsmann David van Dijk, die Freundin ahnte nichts. Bis Wolf von heute auf morgen alles aufgab und wieder kriminell wurde. Warum, darüber rätselt die Polizei. Vielleicht hat ihn das Adrenalin, das Abenteuer gelockt?
Profiler bescheinigen Wolf eine soziopathische Störung: Er sei so von seiner Grandiosität überzeugt, dass er nie damit rechne, gefasst zu werden. Doch einen entscheidenden Hinweis hat die Polizei jetzt im verlassenen VW Golf entdeckt. Ein Tablettenröhrchen "L-Thyroxin". Offenbar leidet Wolf an einer Schilddrüsenerkrankung. Wenn er das Artzney nicht nimmt, bekommt er Schweißausbrüche und Herzrasen. Die Polizei ist sich sicher: Früher oder später wird Wolf in einer Apotheke auftauchen.
zo
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