Deutschland sucht den Super-Talker

Der Kampf um die deutsche Talk-Krone tobt so heftig wie nie. An diesem Wochenende geht Anne Will erstmals nach der scharfen ARD-Kritik wieder auf Sendung. Doch wer ist wirklich der oder die Beste? Die wichtigsten Talk-Shows im Test der AZ.
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Sandra Maischberger
dpa 3 Sandra Maischberger
Frank Plasberg
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Maybrit Illner
ZDF 3 Maybrit Illner

Der Kampf um die deutsche Talk-Krone tobt so heftig wie nie. An diesem Wochenende geht Anne Will erstmals nach der scharfen ARD-Kritik wieder auf Sendung. Doch wer ist wirklich der oder die Beste? Die wichtigsten Talk-Shows im Test der AZ.

Sandra Maischberger

Di, ARD, 22.45 Uhr

Moderatorin: Typ lässige Siegerin. Ausgestattet mit viel Erfahrung im Politiker-Grillen hat sie im Ersten zu ihrem Stil gefunden. Maischberger muss niemandem mehr etwas beweisen und ist genau deswegen souverän. Sie ist menschlich und informiert, stellt die Gäste statt sich selbst ins Zentrum. Grüße an Beckmann.

Konzept: Die Gäste sitzen in lockerer Sofa-Runde, es gibt keine Inquisitions-Rituale. In dieser Atmosphäre funktioniert der „Cross-Talk“ unter den Gästen. Legendär ist das Aufeinandertreffen von Jutta Ditfurth und Nina Hagen.

Themen/Gäste: Obwohl kein ausgewiesener Polit-Talk, erfüllt Maischberger immer wieder das, was Will versprach: Politisch denken, persönlich fragen. Sie spricht über Rente, Gesundheit, Jugendgewalt, Terror. Neben Betroffenen und Experten kommen Politiker dazu – so viele wie nötig und so wenige wie mögich. Die Putzfrau darf mit auf die richtige Couch. Es wird viel variiert, das führt auch zu Highlights wie den Doppelgesprächen Helmut Schmidt / Richard v. Weizsäcker und Dieter Hildebrandt/Harald Schmidt.

Fazit: Eine echte Alternative zum ermüdenden Polit-Talk.

Anne Will

So, ARD, 21.45 Uhr

Moderatorin: Typ elegante Kühle. Nach dem überfälligen Abgang von Christiansen zum Mega-Star hochgejubelt, scheitert Will an der Tatsache, dass sie gar nicht die allerschlaueste, schönste und brillanteste Fernsehjournalistin der Welt ist, sondern auch nur mit Wasser kocht. „Politisch denken, persönlich fragen“ wollte sie. Letzteres fällt leider aus. Unsicherheit kompensiert sie mit übermäßiger Ruhe. Doch Dauer-Contenance und Zeitlupen-Sprechtempo haben narkotisierende Wirkung.

Konzept: Anders wollte man sein als Christiansen, näher am Volk, persönlicher. Die Einspielfilme sind der richtige Weg. Doch die Betroffenen-Couch ist ein Fremdkörper und verfehlt die gewünschte Wirkung: Wenn ein Arbeitsloser aus Baden-Württemberg dort seine Geschichte erzählt hat, sagt Oettinger danach: „Gerade in dieser Region ist der Arbeitsmarkt aber sehr gut“, und fährt ungestört fort im Politiker-Text. Mehrwert zu Christiansen: Null.

Themen/Gäste: Nach ihren ersten sechs Monaten führen Renate Künast und Erwin Huber die Liste an. Will reagiert aktuell auf Fälle wie den Brand von Ludwigshafen. Doch Variationen der Gästeliste wirken unbeholfen: So wird es ein Rätsel bleiben, warum zum Thema „Wird die Linke salonfähig?“ ausgerechnnet Michael Stich geladen wurde.

Fazit: Das behäbige Mittelmaß

Frank Plasberg

Mi, ARD, 21.45 Uhr

Moderator: Typ Dompteur. Plasberg ist der unangefochtene Dirigent seiner Sendung. Er ruft seine Gäste auf wie Schüler, unterbricht auch mal mit einer Blutgrätsche. Und er beherrscht etwas, das Politiker gar nicht mögen: Er ignoriert ihre Ausführungen und macht einfach seinen Stiefel weiter. Kein Mann für einen gemütlichen Abend.

Konzept: Wider der uferlosen Laberei ist hier alles straff organisiert. Viele Magazin-Elemente halten die Statements kurz. Einspielfilme zeigen mal Umfragen, mal satirische Einlagen, mal Tests mit versteckter Kamera, mal nackte Fakten. Bilderbuchmäßig führte Plasberg so Roland Kochs Simpel-Wahlkampfstrategie vor und ließ ihn als Studiogast alt aussehen.

Themen/Gäste: Er versucht hin und wieder das trockene Politikbrot aufzulockern mit „Was macht uns Deutsche fett?“ oder „Geschlechterkampf“. Die erste Reihe der Politgrößen traut sich oft nicht zu ihm: Im vergangenen halben Jahr war kein Erwin Huber dort, kein Beckstein – inhaltlich bringen Hinterbänkler aber manchmal mehr.

Fazit: Der kurzweiligste Polit-Talk.

Maybrit Illner

Do, ZDF, 22.15 Uhr

Moderatorin: Typ ewige Göre. Sie hat das politische Tagesgeschäft drauf. Sie punktet mit Frechheit und Mädchencharme. Damit sorgt sie zumindest hin und wieder für Lacher. Illner bleibt fast immer heiter.

Konzept: Der klassische Polit-Talk, wie ihn Christiansen zehn Jahre lang gemacht hat. Mit den klassischen Krankheiten: viel Redezeit, viel oft gehörte Standpunkte, wenig Struktur. Nach einer Stunde Illner weiß der Zuschauer wieder, warum er politikverdrossen ist.

Themen/Gäste: Im vergangenen halben Jahr war Westerwelle zweimal da, auch Stoiber kam gern, denn das Konzept lieben Politiker. Das Parteien- und Verbände-Personal dominiert. Inzwischen befreit sich Illner manchmal von der Tagespolitik und lässt Hape Kerkeling mit Uta Ranke-Heinemann und Gregor Gysi über Glauben diskutieren. Solche Ausbrecher sind aber noch selten.

Fazit: Gute Moderatorin sucht frischen Wind.

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