Deutschland im Eisfach

Der Winter hat das Land im Griff. Tödliche Unfälle und Sperrungen auf den Straßen – und ganz besonders schlimm trifft es wieder mal die Bahn.In Polen sterben 18 Menschen in der Kälte
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Der Winter hat das Land im Griff. Tödliche Unfälle und Sperrungen auf den Straßen – und ganz besonders schlimm trifft es wieder mal die Bahn.In Polen sterben 18 Menschen in der Kälte

Zweiundzwanzig Stunden für die Strecke Berlin- München: Das ist der bisherige persönliche Negativ-Rekord von Peter Muschiol. Der Münchner Kaufmann ist ein Opfer des heftigen Wintereinbruchs. Der zwang ihn dazu, die Nacht zum Donnerstag bei 14 Grad minus auf der Autobahn bei Triptis zu verbringen.

Gegen 16 Uhr war der 63-Jährige am Mittwoch in Berlin gestartet, gegen 18 Uhr war Schluss. Stillstand. „Ich bin immer wieder mal ausgestiegen und habe mir die Beine vertreten“, berichtet Muschiol. Sein Leihwagen war vollgetankt, die Batterie hielt durch. „Ich hatte nur eine Flasche Wasser dabei und fast nichts gegessen“, so der Münchner. „Es war unangenehm - aber man kann’s aushalten.“

Der Winter hat Deutschland fest im Griff. Noch bis zum Wochenende bleibt das Dreisterne-Tiefkühl-Feeling von den Alpen bis zur Ostsee erhalten. Der Winter herrscht über ganz Europa, und nicht immer ist es nur unangenehm.

In Polen zählt man in den beiden letzten Tagen 18 Kältetote – meist Obdachlose oder Alkoholiker, die Nachtfröste von bis zu 33 Grad nicht überlebt haben. In Berlin bleiben U-Bahn-Stationen offen, damit Wohnungslose Zuflucht vor der Kälte finden.

In Deutschland gab es Tote bei Winter-bedingten Verkehrsunfällen. Der 73-jährige Fahrer eines Räumfahrzeugs starb in Niedersachsen, als ein Zug seinen LKW auf einem Bahnübergang erfasste. Tödlich auch ein ähnlicher Unfall im Kreis Nürnberg (Seite 15).

Besonders heftig erwischte der Winter wieder die Bahn, dabei besonders diverse ICEStrecken: Nach offiziellen Zahlen steckten 3000 Fahrgäste fest, teilweise auf offener Strecke, oder wie 200 Fahrgäste eines ICE, im Frankfurter Hauptbahnhof. Ihre Strecke in den Osten war von meterhohen Schneeverwehungen gesperrt, in Frankfurt waren die Hotels wegen einer Messe ausgebucht – also übernachteten sie im Zug. Sie wurden mit Decken und Essen versorgt.

Unterbrochen waren auch die ICE-Strecken zwischen Nürnberg und Leipzig sowie die zwischen Hamburg und Kopenhagen. Die Fahrgastlobby Pro Bahn kritisierte die Bahn. So seien im Zuge früherer Sparmaßnahmen Weichenheizungen ausgebaut worden. Weil es lange Jahre keine strengen Winter mehr gegeben habe, glaubte die Bahn, auf diese technischen Einrichtungen verzichten zu können.

Wer auf das Flugzeug ausweichen wollte, spielte Lotterie: Verspätungen gab es in ganz Deutschland. Schlimmer erwischte es den Londoner Großflughafen Gatwick. Der war den zweiten Tag in Folge geschlossen, es fielen 600 Flüge aus.

Zur Kälte kamen im Norden starke Winde. Auf Rügen und in Mecklenburg-Vorpommern türmten sich Verwehungen bis zu einen Meter hoch, die Küstenautobahn A20 war bei Greifswald gesperrt.

Lastwagen stürzen um oder kommen schlecht voran: „Keine Auswirkungen auf die Versorgungslage“, heißt es bei den Großmarkthallen. Aber, so Joachim Conrad vom Großmarkt Hamburg: „Wenn die Engpässe anhalten, könnten einige Waren in der nächsten Zeit etwas mehr kosten.“

In England sind in der zweiten Nacht in Folge Bergretter zur Versorgung eingeschneiter Autofahrer abkommandiert. Einige waren die zweite Nacht in ihren Fahrzeugen eingesperrt. Besonders hart traf es die nördlichen Landesteile. In den schottischen Highlands fielen die Temperaturen auf minus 20 Grad.

In den nächsten Tagen bleibt es auch in Deutschland bitterkalt mit Dauerfrost bis minus 20 Grad. Der Schneefall lässt aber zumindest bis Samstag nach, sagt der Deutsche Wetterdienst: „Die Zeichen stehen auf Wetterberuhigung.“ Allerdings zögen in der Nacht zum Sonntag von Westen erneut dicke Schneewolken auf. Da diese mildere Luft mitbrächten, drohe dann mancherorts Glatteisregen.

Freitag und Samstag werden die Temperaturen tagsüber bei minus acht bis minus drei Grad liegen. Bis auf die Nordseeinseln sowie einige Landstriche im Westen liegt Deutschland inzwischen unter einer Schneedecke. Eisige Temperaturen und böigen Wind gab es in der Nacht zum Donnerstag. Kälteste Orte des frühen Winters waren der Fichtelberg in Sachsen mit minus 18,8 Grad und der Brocken (minus 17,2). hu. mm.

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