Deutschland – ein riesiges Waffenlager
Die 80 Millionen Bundesbürger besitzen eine imposante Anzahl an Waffen: 30 Millionen Gewehre und Pistolen. Die Vorschiften sind eigentlich streng - und trotzdem ist es leicht, an Waffen zu kommen
HILDESHEIM/MÜNCHEN Nach Winnenden und der Familientragödie von Hornsen wird heftig über das Thema „Waffen“ diskutiert: Ist es zu einfach, sie illegal zu beschaffen? Muss das Waffenrecht verschärft werden? Oder nur die Kontrollen? Die AZ gibt einen Überblick:
Die Anlässe: Der Amokschütze von Winnenden kam zu der Tatwaffe, weil sein Vater, ein Sportschütze, sie nicht wie vorgeschrieben im Tresor, sondern im Schlafzimmer aufbewahrte. Der 37-Jährige, der im niedersächsischen Hornsen in seiner Familie ein Blutbad anrichtete, hatte sich die halbautomatische Waffe illegal verschafft, wie wird derzeit von der Polizei ermittelt. In Lyon schoss gestern ein Mann mit einem Karabiner auf Menschen, die Kinder aus einem Kindergarten abholen wollten. Acht Erwachsene wurden leicht verletzt.
Allein die Münchner horten 65 000 legale Waffen
Die Fakten: In Deutschland befinden sich geschätzte 25 bis 30 Millionen Schusswaffen im Privatbesitz (das sind fünf bis sechsmal soviel wie die 5 Millionen Hunde). Zwei Drittel der Waffen, also bis zu 20 Millionen sind illegal. In München gibt es, so Christopher Habl vom Kreisverwaltungsreferat, rund 20000 Inhaber einer Waffenbesitz. Sie haben circa 65000 Waffen zu Hause. Die Zahl der illegalen Waffen in München beläuft sich danach auf geschätzt 100000.
Die Rechtslage: Legal im Besitz von Schusswaffen können im wesentlichen drei Gruppen von Personen sein: Mitglieder in Sportschützenvereinen, Jäger und Waffensammler. Sie benötigen einen Waffenbesitzschein. Den erhält nur, wer älter als 18 Jahre alt ist , die erforderliche Zuverlässigkeit nachweisen kann, dem die persönliche Eignung bestätigt wird (nicht geschäftsunfähig, nicht alkohol- oder drogenabhängig, nicht im Erziehungsregister eingetragen) und der ein Bedürfnis nachweisen kann (zum Beispiel als Jäger oder Sportschütze).
Der Waffenschein: Wer eine Waffenbesitzkarte hat, darf seine Waffe nur für den vorgesehenen Zweck einsetzen (also auf der Jagd oder im Schießstand). Um eine Waffe ständig bei sich tragen zu dürfen, benötigt man einen Waffenschein. Den bekommt nur, wer sich in einer besonderen Bedrohungssituation befindet, zum Beispiel Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten. Entgegen landläufiger Meinung dürfen auch Taxifahrer normalerweise keine Waffe führen.
Illegal gibt's Waffen an jedem Bahnof
Illegaler Erwerb: „Der ist viel leichter als der legale Kauf“, sagt Joachim Streitberger vom „Forum Waffenrecht“. Sie werden teilweise an Bahnhöfen direkt aus dem Kofferraum verkauft: „Für 2000 Euro und mit acht Stunden Zeit besorge ich Ihnen jede Waffe, die sie wollen.“
Die Forderungen: Jeder vierte Deutsche ist nach einer Infratest-Umfrage für ein generelles Verbot privater Waffen, 45 Prozent wollen strengere Kontrollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere CDU-Politiker sind für mehr Kontrollen, die SPD will schärfere Waffengesetze (Vize-Kanzler Steinmeier) bis hin zu einem Totalverbot von Privatwaffen (MdB Hermann Scheer). Schärfere Waffengesetze sowie eine zentrale Lagerung aller Waffen (zum Beispiel beim Schützenverein, wird von der Waffenlobby abgelehnt. Michael Heinrich