Der Wandel der Worte

Das „Bratkartoffelverhältnis“ stirbt aus, in England geht man „kaffeeklatsching“ und deutsche Zwerge quengeln auf französisch.
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In Deutschland gehen die Kleinen in den "Kindergarten" - in Amerika auch.
ronald zimmermann 2 In Deutschland gehen die Kleinen in den "Kindergarten" - in Amerika auch.
Viele Wörter, die sich einst in Zeitungen fanden, gibt es heute nicht mehr - dafür sind neue eingewandert.
Thomas Gaulke 2 Viele Wörter, die sich einst in Zeitungen fanden, gibt es heute nicht mehr - dafür sind neue eingewandert.

FRANKFURT/MANNHEIM - Das „Bratkartoffelverhältnis“ stirbt aus, in England geht man „kaffeeklatsching“ und deutsche Zwerge quengeln auf französisch.

Martin Hartung liebt Sprache. Sein Schatz sind 15000 Tonaufnahmen, auf denen altertümliche Redewendungen, aussterbende Dialekte und Wörter wie „Bratkartoffelverhältnis“ festgehalten sind. Der Forscher leitet das Archiv für gesprochenes Deutsch in Mannheim – 4400 Stunden bräuchte man, um sich durch die kulturhistorischen Dokumente zu hören.

Das „Bratkartoffelverhältnis“ stammt aus dem ersten Weltkrieg – eine kurzfristige Liebesbeziehung, die hauptsächlich wegen der Verpflegung eingegangen wurde.

„Unsere Aufgabe besteht nicht nur im Archivieren“, so der Forscher, „wir geben auch weiter.“ Neben Linguisten und Soziologen interessieren sich auch Privatpersonen für das Archiv – so würden viele Ostdeutsche nach Tonaufnahmen fragen; auch Mundarten wie Plattdeutsch sind beliebt. „Viele wollen Aufnahmen in Museen oder bei Familienfeiern präsentieren“, so Hartung.

Aber nicht nur ihre vom Aussterben bedrohte Sprache macht die Deutschen neugierig: Auch Wörter, die sich aus anderen Sprachen in unserer etabliert haben oder ausgewandert sind, stoßen auf Interesse – und sind gesammelt in „Wörter wandern um die Welt“ (Jutta Limbach, Hueber Verlag). In dem Buch sind die Ergebnisse des Wettbewerbs „Wörter mit Migrationshintergrund gesammelt.

Der "Vielfraß" leitet sich von einer norwegischen Gebirgskatze ab

Dass „Shopping“ aus dem Englischen kommt und die Amerikaner ihre Kleinen in den „Kindergarten“ schicken, ist jedem bekannt – aber wussten Sie, dass der „Vielfraß“ aus Norwegen kommt? „Fjellfräs“ bezeichnet dort eine Gebirgskatze. Schon kleine Quengler nutzen Fremdworte, wenn sie sich mit „Menno!“ beschweren: eine Verwaschung des französischen „Mais non“. Aus dem Französischen kommt auch „todschick“ – was nichts mit dem Sensemann zu tun hat, sondern von „tout chic“ abgeleitet wurde.

Aus dem Ungarischen wanderte der „Tollpatsch“ zu uns. „Talpas“ nannte man dort im 17. Jahrhundert Fußsoldaten – „breitfüßig, schwerfällig“ war die Bedeutung des Spitznamens. Der Pullover kommt von dem englischen „pull over“, Schule stammt (tatsächlich) von dem griechischen Begriff für „Muße, freie Zeit“.

Viele deutsche Begriffe haben auch im Ausland Karriere gemacht: Schon mal vom „le vasistdas“ (Französisch für Oberlicht) gehört? Im englischen Sprachraum trifft man sich zum „kaffeeklatsching“, die Bulgarier gehen mit einem „Kufar“ (Koffer) auf Reisen. Den „Katzenjammer“ gibt es im Englischen und im Polnischen, in Russland beweist man „Sitzfleisch“, in Argentinien wird die Mitarbeiterzeitung „Hausorgan“ genannt.

Den Wettbewerb für das schönste ausgewanderte Wort gewann übrigens der finnische Ausdruck „kaffepaussi“. Und noch ein deutsches Wort benutzen die Finnen: „Besservisseri“.

Laura Kaufmann

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