Der Patientinnentag am Sonntag: Brustkrebs als Thema

Eine 40-jährige Frau aus Weilheim lebt mitder Diagnose Brustkrebs. In der AZ erzählt die Entwicklungshelferin, wie sie mit der Therapie zurechtkommt – und träumt von den Seychellen
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Mammographie (Archivbild)
dpa Mammographie (Archivbild)

Eine 40-jährige Frau aus Weilheim lebt mitder Diagnose Brustkrebs. In der AZ erzählt die Entwicklungshelferin, wie sie mit der Therapie zurechtkommt – und träumt von den Seychellen

Ich dachte zuerst an eine Verspannung. Ein seltsamer Druck auf den Rippen über der rechten Brust. Ohnehin gab es keinen Arzt mal so eben um die Ecke in Laos, wo ich bis zum Herbst noch lebte. Nur, als sich das Spannungsgefühl nach Monaten zu einer Knolle verwuchs, dämmerte mir: Da ist was. Das ist nicht normal.

Man denkt ja, man geht zum Spezialisten, um auszuschließen, dass irgendetwas Schlimmes los ist. Krebs? Das trifft ja nur die anderen, oder?

Wie falsch gedacht. „Sie haben Brustkrebs“, sagte der Arzt. „Du hast was?“, fragte mein Partner Florian, er war ganz weiß im Gesicht.

Und ich? Ich war verwirrt. Durcheinander. Ich war wütend! Wieso Krebs? Wir sind doch gerade dabei, fürs nächste Projekt auf die Seychellen umzusiedeln. Von sowas lässt du dich doch nicht in die Knie zwingen! Das musst du packen!

Ich habe mich in Arbeit gestürzt, Gutachten fertig gemacht für die Entwicklungshilfeplanung draußen in den Dörfern in Laos. Dies und das, sagte ich mir fast unter Zwang, musst du noch erledigen, wegschaffen, durchochsen. Körperlich ging es mir ja nicht schlecht.

Zwei Wochen später stand ich in München, vor dem Klinikum rechts der Isar. Es gibt noch keine Metastasen, sagten die Ärzte. Sie empfahlen eine Chemo, danach die OP, um den Resttumor zu entnehmen, am Ende die Bestrahlung und den Brust-Wiederaufbau.

Ich bin ja eher ein nüchterner Mensch. Ich habe versucht, möglichst viel den Kopf auszuschalten. Mich zu beschäftigen, mit anderen Dingen. Ich versuchte, so positiv wie möglich in die Zukunft zu sehen. Hey, ich will auf die Seychellen gehen. In die Sonne, der Sand ist warm dort, und die Luft, und da ist Florian und wartet auf mich.

Vor vier Monaten begann die Chemotherapie. Ein Schlauch im linken Unterarm, der das Artzney in den Körper leitet. Zwei Stunden in einem bequemen Stuhl, alle drei Wochen. Ich las dabei Krimis aus Laos. Hörte Musik aus Afrika, beschwingte Musik.

Die ersten Male war ich nach jeder Gabe tagsüber tagelang todmüde und lag nachts wach. Aber ich hatte keine Schmerzen, mir ist nie schlecht gewesen.

Morgens stand ich vor dem Spiegel und zog an meinen Haaren, ein glatter dunkelblonder Bob. Wann wird es los gehen, dachte ich, wann fallt ihr aus, Freunde? Immer die Hoffnung, das könnte an mir vorbeigehen. Es ging nicht an mir vorbei.

Nach zweieinhalb Wochen verließ die ersten Haare die Kraft. Als würde jedes Haar einzeln wehtun. Als würden die sich gegenseitig sagen, haltet durch, wir kommen ja wieder – komischer Gedanke, oder? Plötzlich kommt man nicht mehr hinterher mit Saugen. Die Haare sind überall, auf den Kleidern, am Boden, im Bett.

Dann kam Florian von den Seychellen und ich war so zerrupft. Wie wird er reagieren. Wie wird er mich anfassen, mit diesem fädeligen Kopf? Er hat mir einen süßen Kosenamen gegeben. Ein Vogel aus Afrika. Und ich konnte die Sache mal von der Seite sehen: Witzig, sich endlich mal nicht die Beine rasieren zu müssen. Oder nicht Haare waschen und fönen.

Nach der zweiten Chemo konnte auch den Tumor fast nicht mehr spüren, er verschwindet, das gleicht viel aus. Ich weiß, es gibt diese Zahlen, die einem klar machen, wie viele Frauen den Brustkrebs nicht überleben. Ich beziehe das einfach nicht auf mich, das ist für mich keine Option. Wenn man solche Gedanken zulässt, fällt man so tief in ein Loch – und die Psyche kann so viel im Körper regulieren.

Also denke ich diszipliniert positiv. Ich schaue nur fröhliche Filme, ich bekoche mich lecker. Ich skype jeden Tag mit Florian, der zurück auf die Seychellen zur Arbeit musste. Und ich habe schon meinen Flug dahin gebucht. Drei Wochen zwischen Chemo-Ende und OP in die Sonne verschwinden, ist das nicht schön?

Meine Brust werden sie Anfang Juni trotzdem abnehmen, es bietet die größtmögliche Sicherheit. Wie das sein wird – ich weiß nicht. Ich schaue nicht so weit in die Zukunft. Ehrlich, ich sorge mich im Moment noch mehr über die Narkose. Ich hatte noch nie eine. Ich war so lange nicht krank, ich kann mich nicht mal an meine letzte Erkältung erinnern.

Protokoll: Irene Kleber

Am Sonntag, 21. März, veranstalten die Rotkreuzklinik und die Frauenklinik rechts der Isar von 13 bis 17 Uhr einen öffentlichen „Patientinnenta g“ an der TU München.

Im Audimax (Arcisstraße 21, U-Bahn-Haltestelle Theresienstraße, Eintritt frei) referieren zahlreiche Experten über Heilungschancen, Behandlungsmethoden, Vor- und Nachsorge – und stehen für Fragen bereit.

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