Der Papst schweigt

ROM - Entgegen den Erwartungen vieler Gläubiger hat sich Papst Benedikt XVI. in seiner Stellungnahme zum sexuellen Missbrauch durch Geistliche nicht zu den Fällen in Deutschland geäußert.
Papst Benedikt XVI. hat die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche Irlands zutiefst bedauert und eine Untersuchung angeordnet. In einem am Samstag veröffentlichten Schreiben an die Katholiken Irlands tadelte er die dortigen Bischöfe wegen „schwerer Fehleinschätzungen“ im Umgang mit den jahrzehntelangen Übergriffen. Er äußerte sein persönliches Bedauern für den Generationen von irischen Katholiken von Priestern zugefügten „sündhaften und verbrecherischen“ Missbrauch. Zu einer Mitverantwortung des Vatikans und den Missbrauchsfällen in Deutschland äußerte er sich nicht.
„Ihr habt viel gelitten und ich bedaure das aufrecht“, schrieb Benedikt an die Opfer und ihre Familien gerichtet. Den Tätern warf er vor, „das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in Euch gesetzt wurde, verraten“ zu haben. Die betreffenden Geistlichen hätten „die Achtung der Menschen Irlands verspielt“.
Das Problem des Missbrauchs von Kindern sei „weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches“, erklärte der Papst weiter und sprach von einer schmerzhaften Situation. Als entscheidend mitverantwortliche Faktoren nannte er unter anderem unangemessene Verfahren zur Feststellung der Eignung von Kandidaten für das Priesteramt und das Ordensleben sowie eine nicht ausreichende menschliche, moralische, intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien und Noviziaten. Außerdem kritisierte der Papst „eine fehlgeleitete Sorge für den Ruf der Kirche und die Vermeidung von Skandalen“. Jetzt müsse „dringend gehandelt werden um diese Faktoren anzugehen, die so tragische Konsequenzen in den Leben von Opfern und ihrer Familien hatten“.
Zollitsch: Das Schreiben ist eine klare Weisung
Obwohl Papst Benedikt XVI. die Fälle in Deutschland mit keinem Wort erwähnt hat, interpretiert der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, das Schreiben als klare Weisung „für die gesamte Kirche“. Es sei „eindeutig eine Botschaft auch an uns in Deutschland“, sagte Zollitsch am Samstag in Bonn.
„Ohne Wenn und Aber verurteilt der Papst die schrecklichen Verbrechen, die an jungen Menschen begangen wurden, als Mitglieder der Kirche, besonders Priester und Ordensleute, sie sexuell missbrauchten“, betonte der Erzbischof. Er hob hervor, dass Benedikt XVI. darauf dränge, die Vorgaben der Justiz und des staatlichen Rechts einzuhalten. Vorrang habe für den Papst die Perspektive der Opfer. Deshalb kritisiere er auch den zum Teil übermäßigen Täterschutz, den die Kirche häufig praktiziert habe.
Gegen mindestens 14 Geistliche wird ermittelt
Bundesweit wird einem Medienbericht zufolge derzeit gegen mindestens 14 Geistliche wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch ermittelt. Das ergab eine Umfrage des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ unter den 24 deutschen Generalstaatsanwaltschaften, wie es am Samstag in einem Vorabbericht hieß. 15 der Behörden hätten Angaben gemacht. Hinzu kämen Verfahren gegen elf weltliche Lehrer und Erzieher. In den vergangenen Wochen waren zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch an Schulen und Internaten bekannt geworden - darunter auch an mehreren kirchlichen Einrichtungen.