Der Papst in Assisi: Brüder im Geiste
ASSISI Schon kurz nach dem Beginn seines Pontifikats hatte Franziskus den Wunsch geäußert, den Geburtsort seines Namenspatrons in Assisi zu besuchen. Ein halbes Jahr später war es nun soweit. Am Freitag, zum Gedenktag des Heiligen, traf er in dem Wallfahrtsort in Umbrien ein, umjubelt von Tausenden von Gläubigen, die ihn mit „Viva il Papa“-Rufen willkommen hießen.
Wie sehr sich der Papst seinen Namensgeber verpflichtet fühlt, zeigte sich gleich beim ersten Programmpunkt. Franziskus nahm sich die Zeit, um mit Kranken, mit behinderten Kindern, mit Armen und Obdachlosen zusammenzutreffen. Wie schon bei anderen Gelegenheiten zuvor, beließ er es dabei nicht bei einem gemeinsamen Gebet. Franziskus suchte den direkten, den körperlichen Kontakt, er streichelte Wangen, er herzte und küsste. Der Papst als ein Mensch zum Anfassen – auch hier eifert er dem Heiligen nach, der, so geht die Legende, auch Lepra-Kranke umarmte.
Erst nach diesen Begegnungen zog sich der Papst für ein persönliches Gebet am Grab des Heiligen zurück, später folgte eine Freiluft-Messe, die er mit einem flammenden Appell an die Welt verband.
„Hören wir die Schreie derer, die weinen, leiden und sterben aufgrund der Gewalt, des Terrorismus und des Krieges – im Heiligen Land, das der heilige Franziskus so sehr liebte, in Syrien, im Nahen Osten, in der Welt“, rief er bei der Messe, an der mehr als 50<TH>000 Gläubige teilnahmen. „Christen sollten Werkzeuge des Friedens“ unter den Menschen und mit der Natur sein. „Achten wir die Schöpfung, seien wir nicht Werkzeuge der Zerstörung“, so der Papst in seiner Predigt.
Es ist für den Papst, das ist spüren für alle, die Franziskus in Assisi erleben, ein besonderer Besuch. Immer wieder kommt er auf die Lehren des Heiligen, der vor 800 Jahren lebte, zu sprechen. Franz von Assisi ist dem 76-Jährigen ein Vorbild – in vielerlei Hinsicht.
"Eine Kirche, die sich um die anderen kümmert"
„Franziskus träumte von einer Kirche, die sich um die anderen kümmern würde, ohne an sich selbst zu denken“, sagte der Papst. Dieses Ideal einer missionarischen und armen Kirche bleibe mehr als gültig. Dieser Einstellung folgt der Papst auch in seinem Pontifikat.
So wie einst der Heilige von Assisi die starren Strukturen der Kirche aufbrach, und das ganz ohne Revolution, sondern durch ein mitreißendes Leben, so will auch der Papst die Kirche reformieren, sie aus der vatikanischen Abgeschiedenheit öffnen für die moderne Welt, und sie zurückführen zu ihrer eigentlichen Aufgabe: dem Dienst an den Menschen.
Der Papst hat zu diesem Zweck eine Reformkommission eingesetzt, die vor einigen Tagen ihre Arbeit aufgenommen hat. Acht Kardinäle, die die verschiedenen Teile der Weltkirche vertreten, sollen dem Papst persönlich Reformvorschläge unterbreiten.
Die bisherigen Überlegungen, so sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi, gehen dahin, den römischen Zentralismus zu verringern und die Arbeit der Kurie auf den verschiedenen Ebenen effektiver zu gestalten. Dass die Kurie vor allem der katholischen Weltkirche und den Ortskirchen dienen müsse, stehe dabei im Vordergrund.
Der Papst selbst mahnte auch in Assisi den Wandel der Kirche an. In dem Raum, in dem der reiche Kaufmannssohn Franz von Assisi seine prächtigen Gewänder ablegte, um fortan ein Leben in Armut zu führen, rief der Papst die Kirche auf, seinem Beispiel zu folgen. „Wir müssen uns des Geistes der Weltlichkeit entledigen“, sagte er, denn dieser sei der „Krebs“ und die „Lepra“ der heutigen Gesellschaft.
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