„Der Mann von heute ist nur ein halber“
Familienministerin Christine Haderthauer kritisiert, dass die Emanzipation im Alltag stockt. Was die Kerle dringend lernen müssen und Frauen oft falsch machen. Eine Langzeitstudie zeigt’s.
Mann-O-Mann, was ist nur mit Deutschlands Kerlen los? „Verhaltensstarre“, wirft ihnen der Wiener Männerforscher Paul Zulehner vor. In den letzten zehn Jahren habe er sich nur knapp bewegt. „Es gibt nur halbe Männer“, sagt Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer und fordert: „Die Deutschen müssen endlich zu ganzen Männern werden.“
Audi-Personalvorstand Werner Widuckel propagiert für die Zukunft: „Führungskräfte können nicht verantwortungsvoll im Beruf und verantwortungslos in der Familie sein.“
Eine heiße Diskussion, zu der Haderthauer am Mittwoch in ihr Ministerium geladen hatte. Der Titel: „Männer in Bewegung – auf dem Weg in eine neue Gesellschaft?“ Der ist aber noch ewig lang. Dabei schien der „ganze Mann“ schon auf dem Vormarsch – und das ausgerechnet im Macho-Land Bayern. Nirgendwo sonst schmeißen so viele Papas den Familienladen und gehen in „Elternzeit“.
Für Zulehner ist das aber nur eine „stabile kleine Vorhut“ von Männern, die in Bewegung ist. Wenn es darauf ankomme, würden auch sie wieder in ihre alten Rollenbilder zurück fallen. Das Paradoxe, so der Forscher, Männer und Frauen träumen von einem einheitlichen Geschlechterbild, schaffen es aber nicht.
Nur knapp jeder fünfte Mann ist modern. Das hat Zulehner in seiner Langzeitstudie herausgefunden. 27 Prozent aber hängen weiterhin an ihrem traditionellen Rollenbild. Nur drei Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. Die meisten Männer jedoch befinden sich auf der Suche. Jeder Vierte gehört zu den „Balancierern“ zwischen alten und neuen Rollenbildern. „Rosinenpicker“ nennt Zulehner sie. Solche Männer akzeptieren die Berufstätigkeit ihrer Frauen. Nicht weil sich ihr Rollenbild gewandelt hat, sondern weil sich eine Familie kaum mehr nur mit einem Einkommen ernähren lässt. Helfen im Haushalt tun sie aber nicht.
Die Emanzipation im Alltag stockt. Dabei ist der „richtige Mann“, Macho mit Muckis, der es den Frauen überlässt, die Kindertränen zu trocknen, längst ein Auslaufmodell. Das traditionelle Männerbild aus früheren Tagen ist für die Arbeits- und Lebenswelt der Gegenwart nicht geschaffen. Der Macho ist heute nicht mehr taff genug. Der „neue Mann“ definiere sich nicht länger alleine über seine berufliche Stellung, weiß Zulehner, sondern suche „neue Erfahrung im sozial-familialen Bereich“ und scheue sich auch nicht davor, „in Kontakt zu seiner Innenwelt“ zu treten. „Der Mann der Zukunft muss in allen Bereichen des Lebens erfolgreich sein“, prophezeit Haderthauer. Und warnt davor, die Väter, die jetzt Erziehungsurlaub machen, „wie ein Zirkuspferd zu bewundern“.
Sie gibt den Frauen die Schuld, dass die Männer nicht richtig in Bewegung kommen. Für sie sei ein ganzer Mann noch immer der, der nach Geld und Karriere strebt. „Die Frauen suchen sich die Männer noch immer nach traditionellen Mustern aus“, kritisiert Haderthauer. „Lieber ein Manager als ein Hausmann.“ Am Ende würden sie den Mann doch nicht ran lassen: „Bleib du lieber im Büro. Ich kann das mit den Kindern besser.“
Dabei schneiden sie sich ins eigene Fleisch: Von jedem vierten Mann wird die Ehe inzwischen als überholt eingestuft. Vor allem von den Machos. Bei den modernen Männertypen aber denken nur 13 Prozent so. Beängstigend ist die Einstellung zur Gewalt. Über die Hälfte der traditionellen Männer sehen kein Problem darin, wenn ihre Kinder eine Watschn bekommen. Sie glauben sogar, dass vergewaltigte Frauen auch selber schuld wären. Beim modernen Typus denken nur drei Prozent so.
„Männer müssen kapieren, dass weich nicht gleich schwach ist“, sagt Haderthauer. Dass ein erfülltes Männerleben nicht bedeutet, nur er kann sich im Job verwirklichen. Der Mann der Zukunft will eine faire Arbeitsteilung mit wechselnden Rollen und ein glückliches Privatleben. Er kümmert sich um die Kinder und fährt auch mal erst später zum Meeting. Statt des Autos kann er auch Handtücher und Unterwäsche waschen. Erst dann ist der halbe ein ganzer Mann. Angela Böhm
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