Der kaputte Kerl

Verlacht, benachteiligt und zu Deppen der Nation gestempelt: Der Geschlechterforscher Arne Hoffmann („Rettet unsere Söhne“) fordert das Ende der Männerdiskriminierung
AZ: Herr Hoffmann, mein herzliches Beileid. Wie schrecklich fühlen Sie sich heute?
ARNE HOFFMANN: Wieso?
Sie sind doch ein Mann...
Ach so. (lacht)
...und Männer, sagen Sie, werden heute verlacht, benachteiligt und in die Orientierungslosigkeit getrieben. So schlimm?
Ich glaube schon. Was in den Medien passiert, hat jedes Maß verloren. Frauen werden positiv beschrieben. Männer dagegen sind nur noch die Deppen der Nation, und was immer sie tun, sie werden lächerlich gemacht.
Hmmm.
Nehmen wir mal den „Spiegel“-Titel „Eine Krankheit namens Mann“. Oder die Online-Geschichte „Männer sind wie Hunde“. Oder die aktuelle Mittwochsdebatte auf Phoenix. Die titelt „Die Wirtschaftskrise – Frauen wäre das nicht passiert.“ Es geht nur noch darum, das Männer nichts mehr auf die Reihe kriegen, aussterben und überhaupt alles besser wäre, wenn Frauen an der Macht wären.
Ist das die Rache der benachteiligten Frauen?
Frauen sind doch schon lange nicht mehr benachteiligt. Die feministische Lobby hat in allen Bereichen erreicht, dass Frauen und Mädchen mehr gefördert werden als Buben und Männer. Und: Frauen haben heute einen Vorteil: Sie können jede Rolle einnehmen, in der sie sich wohl fühlen, und das ist okay.
Orientierungslos zwischen Dinosaurier und Softie
Während Männer nichts richtig machen können...
Engagieren wir uns beruflich, sind wir unbelehrbare Dinosaurier, die sich nicht um die Familie kümmern. Überlassen wir den Frauen den Vortritt, dann sind wir Loser, die sich durchfüttern lassen. Lassen wir den Kerl raushängen, werden wir als Machos beschimpft und wenn wir mitfühlend und zärtlich sind, macht man uns als Softie und Frauenversteher lächerlich. Das schlägt nicht nur auf den Magen, sondern auch auf den Unterleib, kein Wunder.
Ein Grund für die Flaute in vielen deutschen Betten?
Aber sicher. Schon Heranwachsende kommen immer schwerer zu einer gesunden Sexualität. Wenn sie auf die eigene Lust achten, wird das als derartig frauenfeindlich hingestellt, dass sie immer weniger selbstbewusst agieren und formulieren können, was sie sich wünschen. Irgendwann läuft halt gar nichts mehr.
„Rettet unsere Söhne“, heißt deshalb Ihr Credo. Was stimmt nicht mit unseren Buben?
Sie wissen nicht mehr, welches Rollenbild als Jugendliche ausfüllen sollen. Sie bekommen ständig einen neuen Trend vorgesetzt, dem sie hinterherhecheln sollen. Mal ist der „Ironic man“ der richtige, dann der „Care Man“, der „Lad“, dann wieder der „Metrosexuelle“. Und jedes Mal bekommen sie die Botschaft serviert: Nur wenn du so bist, bisr du cool. Wenn nicht, werden Frauen dich zurückweisen und du wirst einsam sein.
Warum schneiden Buben in der Schule im Schnitt schlechter ab als Mädchen?
Buben heute sind eingeschüchtert und glauben, dass sie eh keine Chance haben gegen Mädchen. Weil die cleverer, besser, angenehmer und wichtiger sind. Die besseren Menschen, weil sie soziale Kompetenz, Multitaskingfährigkeit haben. „Schlaue Mädchen, dumme Jungs“ titelte ein Magazin kürzlich.
Also sollte man jetzt Buben fördern?
Unbedingt sogar. Studien wie aktuell die des Aktionsrats Bildung belegen, dass Buben für dieselben Leistungen eine schlechtere Note als Mädchen bekommen – weil Lehrer belohnen möchten, dass Mädchen pflegeleichter sind. Inzwischen ist es so, dass doppelt so viele Buben wie Mädchen keinen Abschluss schaffen, nur ein Fünftel der Buben macht Abitur. Buben werden massiv benachteiligt, sie sind die Verlierer im deutschen Bildungssystem.
Buben müssen wieder Buben sein dürfen
Was ist die Perspektive, wenn der Trend sich so fortsetzt?
Wir werden viele arbeitslose Männer haben. Immer weniger Partner werden sich finden. Frauen, die sich ja eigentlich starke Männer wünschen, werden immer unzufriedener. Zudem: Wenn verunsicherte junge Männer keine Zukunftsperspektive mehr sehen, werden sie sich irgendwo radikalisieren, sich da einen Platz suchen, wo sie sich wertvoll fühlen. Noch viel mehr junge Männer werden in die Fantasiewelt von Ballercomputerspielen flüchten, in denen sie siegen können.
Klingt ja apokalyptisch. Was schlagen Sie dagegen vor?
Buben müssen wieder Buben sein dürfen, mit allem, was dazugehört: raufen, rumrennen, Imponiergehabe ausleben, Kämpfen spielen. Buben brauchen das. Wer das nicht üben darf, lernt nicht, seine Körperlichkeit einzuschätzen und zu beherrschen. Er lernt nicht, sich durchzusetzen, ohne den anderen roh zu verletzen.
Da könnten vermutlich mehr Männer in Erzieher- und Lehrerberufen gut helfen.
Natürlich. Männliche Vorbilder für die, die Männer werden sollen. In einem Männer- und Jungen-Zentrum in Rosenheim gibt es einen Kurs „Mannsbilder“, dort setzen sich Buben mit Identifikationsfiguren anhand klassischer Archetypen auseinander: Wie ist es, Jäger zu sein, Liebhaber, König, Narr, Vater, Magier, Krieger, Pionier. Dort wird vermittelt, dass es nicht nur ein Bild von Männlichkeit gibt, sondern dass jeder seinen Platz in der Männerwelt finden kann
Wie also sieht Ihr ideales Männerbild aus – aus Sicht des Mannes?
Ich plädiere für ein liberales Männermodell, in dem, genau wie bei Frauen, alles erlaubt und okay ist.
Das nennt man dann wohl Maskulismus?
Genau. Wir brauchen ein generelles Umdenken. Mit nicht nur Frauen- sondern auch Männerforschung, nicht nur Frauen- sondern auch Männerförderung, nicht nur Mädchen- sondern auch Bubenarbeit. Und jetzt sind die Frauen mal dran, das zu akzeptieren.
Interview: Irene Kleber