Der Ess-Wechsel

Die gesunde Küche der Mittelmeerländer wird immer mehr von Fast Food abgelöst
Tomaten, Mozzarella, Tapas-Teller und Spaghetti mit Meeresfrüchten – mediterrane Kost ist nicht nur extrem lecker, auch von Gesundheitsexperten wird der Speiseplan der Italiener, Griechen, Portugiesen und Spanier hoch gelobt: Herz- und Gefäßschonend sei ihre Ernährung; weil sie obendrein noch kalorienarm ist, ist sie als Mittelmeer-Diät bekannt.
Eine Diät – die hätten heute viele italienische, spanische und griechische Kinder nötig. 36 Prozent der italienischen Bambinis sind übergewichtig, die Zahl der 12-jährigen griechischen Jungen, die übergewichtig sind, ist von 1982 bis 2002 um 200 Prozent gestiegen. Die Griechen sind mittlerweile das schwerste Volk Europas: drei Viertel der Bevölkerung bringen zu viel auf die Waage.
Ausgerechnet in ihren Ursprungsländern gerät die Mittelmeerkost immer mehr in den Hintergrund. Fast-Food-Ketten erobern den europäischen Süden, Chips und Süßigkeiten überschwemmen die Supermärkte. Vermehrt richtet sich die Werbung der Lebensmittelindustrie an Kinder. Und das Bild der italienischen „Mamma“, die die Großfamilie abends aufwändig mit Hausrezepten bekocht, ist oft nur noch ein Bild aus der Vergangenheit – auch in den Mittelmeerregionen sind immer mehr Frauen berufstätig.
All das führt dazu, dass sich die Italiener und Spanier von ihrem vorbildlichem Essverhalten abkehren und stattdessen Junk Food konsumieren. Wirklich wahr haben wollen die Eltern aber nicht, wie es um ihre Kinder steht: 40 Prozent der Mütter von übergewichtigen italienischen Kindern glauben, dass ihre Kinder keine Gewichtsprobleme haben. Und griechische Großeltern verzeihen ihren Enkeln gern ein paar Extra-Pfunde, hatten sie doch früher eher Probleme, den Teller überhaupt zu füllen.
Die griechische Regierung reagierte alarmiert: Sie setzte Ernährung auf den Stundenplan der Kinder und ließ Gewicht und Werte der Schüler messen. Auch an einer Grundschule in Kissamos, einer Stadt mit 3000 Einwohnern. „Statt Noten haben wir die Cholesterin-Werte unserer Kinder verglichen“, erzählt eine Mutter – die der meisten waren zu hoch. „Die Kinder heute haben eine kürzere Lebenserwartung als ihre Eltern“, so Michalis Stagourakis, Arzt in Kreta. Immer öfter kommen jetzt kleine Patienten mit Diabetes und Bluthochdruck in seine Praxis.
Dabei sind die Vorteile der traditionellen Küche für die Gesundheit längst nachgewiesen. Sie besteht zu einem Großteil aus komplexen Kohlehydraten: Also Brot, Nudeln oder Reis. Dazu kommen jede Menge frisches Obst und Gemüse, Salat, Nüsse und Hülsenfrüchte; ein paar Milchprodukte wie Joghurt und Käse, wenig Fleisch und viel Fisch. Haupt-Fett-Lieferant ist das Olivenöl, dass den Körper mit den wichtigen ungesättigten Fettsäuren versorgt.
Die Sieben-Länder-Studie, die den Zusammenhang von Ernährung und Herzkrankheiten untersuchte, wies schon in den 50er Jahren die positiven Effekte der mediterranen Kost nach: Forscher untersuchten die Essensgewohnheiten der Einwohner von Finnland, Japan, den USA, England, Italien, Jugoslawien, Japan und Griechenland – in Griechenland war die Zahl der Herztode am niedrigsten.
Bleibt zu hoffen, dass die Bambini irgendwann den pappigen Cheeseburger beiseite legen und wieder auf den Geschmack einer hausgemachten Portion Spaghetti Pesto kommen. Laura Kaufmann