Der digitale Rock-Olymp

Der Rockklassiker „Don't fear the reaper“ vom Blue Öyster Cult dröhnt aus den Boxen, und die Band versucht, die richtigen Töne zu treffen – die auf dem Schirm eingeblendet werden. Es ist Games Convention: Ein Besuch auf Europas größter Videospielmesse.
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Der Renner: Die Wii-Konsolen
dpa Der Renner: Die Wii-Konsolen

LEIPZIG - Der Rockklassiker „Don't fear the reaper“ vom Blue Öyster Cult dröhnt aus den Boxen, und die Band versucht, die richtigen Töne zu treffen – die auf dem Schirm eingeblendet werden. Es ist Games Convention: Ein Besuch auf Europas größter Videospielmesse.

Die Musiker der Rockband haben sich schnell zusammengefunden. Die junge Frau an der Gitarre legt die Finger über die Tasten ihrer Plastikgitarre. Ihr Freund setzt sich ans Schlagzeug. Eine weitere Frau tritt als Sängerin auf. Gebannt starrt sie auf den Bildschirm. Dann geht’s los: Der Rockklassiker „Don't fear the reaper“ vom Blue Öyster Cult dröhnt aus den Boxen, und die Band versucht, die richtigen Töne zu treffen – die auf dem Schirm eingeblendet werden.

Schauplatz ist keine Konzertbühne, kein Proberaum. Die „Musiker“ sind auf der Videospielmesse „Games Convention“ in Leipzig. Genauer gesagt, in einem schalldichten Raum aus durchsichtigen Wänden. Andere Besucher der Messe umringen die kleine Box in Halle 5 und schauen den Spielern zu. Das Spiel, das sie gerade fleißig üben, nennt sich „Rock Band“ und ist derzeit mit anderen Musikspielen wie „Guitar Hero“ und „Singstar“ der Renner.

Mittels Plastikinstrumenten und einem Mikrofon können sich Fans bei diesen Spielen auf der Playstation 3, am Computer oder am Nintendo Wii in den digitalen Rockolymp kreischen, schrammeln und trommeln. Auf dem Bildschirm laufen die verschiedenen Spuren des Liedes parallel, jeder Mitspieler muss im richtigen Moment die korrekte Taste drücken, beziehungsweise den Ton treffen. Liegt die Band richtig, steigt das „Rock-Meter“ in den grünen Bereich und das Publikum jubelt und klatscht – virtuell natürlich. Treffen die Interpreten die richtigen Töne nicht – und das gelingt den wenigsten beim ersten Versuch – buht ihn die Audienz aus. Ganz wie im richtigen Rockstarleben.

Es herrscht ein buntes Treiben auf Europas wichtigster Videospielmesse, die bis Sonntag dauert. 547 Aussteller aus 32 Ländern kommen hier mit dem unterhaltungssüchtigen Publikum zusammen. Eidos, Electronic Arts und Blizzard Entertainment heißen die Hersteller, und sie zeigen ihre neuesten Entwicklungen in der Welt der digitalen Unterhaltung. Ein bunter Stand reiht sich an den nächsten, knapp bekleidete Messehostessen locken Spieler an die Konsolen, überall wird gespielt, gesungen, Motoren aus Rennspielen heulen auf, ein Kugelhagel dröhnt aus den Boxen, auf einer riesigen Leinwand läuft eine Werbung für das Fantasyspiel „Warhammer Online“.

Ein paar Meter weiter wirbt der Spielehersteller Activision für das Kriegsspiel „Call of Duty: World at War“. Ein überdimensionierter Soldat aus Pappe legt sein Sturmgewehr aus einem Plastikgebüsch heraus auf einen unsichtbaren Feind an. Wer Infos zu dem Spiel will, muss sich anstellen - für den „Ab 18“-Bereich. Dutzende warten in der Schlange.

Zwischen den „normalen“ Besuchern, darunter viele Frauen, tummeln sich Feen, Zauberer, Alchimisten, Krieger, Gäste, die sich wie die Charaktere aus ihren Lieblingsspielen gekleidet haben. Einmal im Jahr die Rollen fallen lassen, die virtuelle Welt in der realen ausleben – das scheint viele zu faszinieren.

Auch jede Menge Geschäftsleute eilen durch die Messe und die benachbarte Fachmesse, verteilen fleißig Kärtchen, knüpfen Kontakte. Kein Wunder: Die Spielebranche setzt mittlerweile Milliarden um.

Doch der Großteil der Besucher will Spaß haben. Und so wirkt die Messe auch wie ein großes Volksfest – inklusive vieler Essensstände, thailändisch, chinesisch, Guay Tiao für fünf Euro, sieben Frühlingsrollen für drei Euro, Crêpes mit Zucker oder Kirschen, Pommes, Currywürste, Bier...

Mitten drin ist auch ein Stand der Bundeswehr, ein BMW-Motorrad steht da, mit dem Schriftzug „Feldjäger-Kompanie“. Auch die Bundesagentur für Arbeit ist auf der Games Convention. Man wolle die Jugendlichen hier direkt erreichen, sagt eine Mitarbeiterin. „Viele sind ja interessiert, und hier haben sie keinen weiten Weg zu uns.“

Ob die bunt gemischte Rockband schon den Weg zur Agentur gefunden hat, ist nicht überliefert. Zeit hätten die Möchtegern-Musiker allemal. Denn sie sind bereits nach 20 Sekunden vom digitalen Publikum ausgebuht worden und mussten die virtuelle Bühne verlassen.

Kasanobu Serdarov

Die Games Convention ist bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Tageskarte: 12 Euro

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