Der AZ sei Dank: Nach Hurrikan "Maria" das Happy End in Puerto Rico

Ein Münchner hat seit dem Hurrikan nichts mehr von seinem Vater gehört. Nach dem Artikel in der AZ meldet sich eine Bayerin – sie lebt auf der Insel und macht sich auf die Suche nach der Familie.
von  Rosemarie Vielreicher
Irene Wallstabe (rechts) hat sich mit Edward Froschauers Vater Jesus Laboy (Mitte) fotografieren lassen. Gerade zu Gast war zudem eine Bekannte Laboys.
Irene Wallstabe (rechts) hat sich mit Edward Froschauers Vater Jesus Laboy (Mitte) fotografieren lassen. Gerade zu Gast war zudem eine Bekannte Laboys. © hu

Puerto Rico - Es gibt sie noch, die Geschichten mit Herz – und Happy End. In der folgenden in den Hauptrollen: der Münchner Edward Froschauer und sein Vater Jesus aus Puerto Rico. Seit dem Hurrikan-Chaos auf der Insel ist der Kontakt zwischen den beiden völlig abgebrochen. Die weibliche Protagonistin: Irene Wallstabe (34) aus Bayern, die in Puerto Rico lebt und arbeitet. In der Nebenrolle: die Abendzeitung.

Aber von vorne: Ende September berichtet die AZ über Edward Froschauer. Der 62-Jährige wohnt in München, sein Herz aber schlägt für Puerto Rico. Denn sein Vater Jesus Laboy (85) lebt in Arroyo im Süden der Insel, einem der vielen Orte, über die Hurrikan "Maria" vor sieben Wochen hinweggefegt ist.

Die Folge: kein Strom, kein Wasser, keine Telefonverbindung. Froschauer kann seinen Vater und seine Geschwister nicht erreichen, ihn plagen schwere Sorgen: Hat sein Vater den Hurrikan gut überstanden? Wie geht es ihm? Braucht er Hilfe? Nach Wochen des Bangens klingelt bei Froschauers das Telefon.

Eine ausländische Nummer. Am anderen Ende ist Irene Wallstabe, eine ihm bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Frau. Froschauer wundert sich noch mehr: Die Dame spricht Bairisch. Die Unternehmensberaterin aus dem niederbayerischen Niederwinkling arbeitet seit zwei Jahren für die Londoner Firma PricewaterhouseCoopers (PwC) in Puerto Rico.

So findet Irene Wallstabe Froschauers Vater

Sie wird auf Froschauers Schicksal aufmerksam, weil ihre Eltern ihr den AZ-Artikel aus der Heimat einscannen. Sofort will sie dem Münchner helfen. "Ich habe den Bericht gelesen und es war für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich dorthin fahre." Erst kontaktiert sie die AZ, dann Edward Froschauer und an einem Samstag packt sie Wasser und Hilfsgüter ins Auto und macht sich auf den Weg.

Eineinhalb Stunden fährt sie nach Arroyo. Zusammen mit einem Bekannten fragt sie sich durch den Ort. Und die junge Frau wird tatsächlich fündig: Nach mehrmaligem Klopfen öffnet der 85-Jährige die Tür – er ist wohlauf, gesund und überrascht, als Wallstabe den Namen seines deutschen Sohnes nennt. "Er hat sich super gefreut", erzählt die 34-Jährige der AZ. Sein Haus ist nicht zerstört, es hat lediglich hineingeregnet. Strom hat Jesus Laboy keinen.

Irene Wallstabe hat eine Hilfsorganisation ins Leben gerufen

Die beiden plaudern ein wenig und knipsen für Sohn Edward ein Erinnerungsfoto. Über ihre Firma hat Wallstabe Internetzugang und kann es nach München schicken. Edward Froschauer ist überglücklich: "Ich bin so erleichtert, allen geht es gut und es gibt keine größeren Schäden!", sprudelt es aus ihm heraus, als er mit der AZ telefoniert. Dass Irene Wallstabe ihm so selbstlos geholfen hat, findet er wunderbar: "Ich kann nicht mehr als danken!"

Das ist das Ziel von Ayuda Mi Isla

Aber nicht nur den Froschauers hat sie geholfen. Zusammen mit zwei weiteren hat sie eine Non-Profit-Organisation gegründet. Sie heißt "Ayuda Mi Isla – Hilf meiner Insel". Wallstabe erklärt: "Viele Leute in Amerika haben Wasser, Essen, Batterien, Planen, Lampen und so weiter gespendet, aber die Sachen waren alle in Lagerhallen gestrandet und es gab keinen Weg, sie nach Puerto Rico zu bringen."

Ihr kleines Non-Profit-Unternehmen habe viele Verbindungen, den Transport zu koordinieren. Was "Hilf meiner Insel" laut Wallstabe bisher schon erreicht hat: "Wir haben bis heute 80 000 Kilogramm Güter nach Puerto Rico geflogen und fünf Container dorthin geschifft." All diese Hilfsgüter haben sie zu den Menschen gebracht, die noch keine oder nur minimale Hilfe vom Staat bekommen haben.

Zudem hat die Organisation 40 000 Dollar auf ihrer Internetseite gesammelt. Und das ist noch nicht alles, wie Wallstabe ankündigt: "Ab nächster Woche kommen 24 Container jede Woche nach Puerto Rico – durch uns."  Die 34-Jährige selbst lebt in Puerto Rico in einem Apartment im 18. Stock. Das Gebäude überbrückt die Strom-Probleme mit drei Generatoren, die immer wieder ausfallen. Einer von ihnen versorgt auch den Aufzug.

Die 34-Jährige sagt trotzdem: "Ich komme viel in Gegenden, in denen die Leute nicht mal einen Generator haben. Diese Menschen leben seit mindestens sieben Wochen ohne Strom und teilweise auch ohne fließendes Wasser. Wenn man sich das vor Augen führt, gehe ich gerne auch mal 18 Stockwerke nach oben. Das ist das kleinere Übel."

Unter www.gofundme.comkann man Irene Wallstabe unterstützen.


Die aktuelle Lage: Nur 42 Prozent der Menschen haben wieder Strom

Die Niederbayerin Irene Wallstabe (34) berichtet aus Puerto Rico: "Sieben Wochen nach dem Sturm normalisiert sich die Lage in vielen Gegenden – langsam. Die meisten Supermärkte sind wieder gut gefüllt, die Kommunikation wird langsam besser, Wifi ist immer noch ein großes Problem." 85 Prozent der Menschen sind wieder mit fließendem Wasser versorgt. Dennoch: Der zentrale und staatliche Energieversorger hat das Energienetzwerk erst wieder zu 42 Prozent repariert.

Wallstabe: "Das heißt, nur 42 Prozent aller Leute und Häuser haben Strom. Der Rest sitzt entweder immer noch im Dunkeln oder versorgt sich über Dieselgeneratoren."

Was wiederum nicht unproblematisch ist: Die Generatoren sind nicht dafür ausgerichtet, sieben Wochen lang durchzulaufen. Sie gehen ständig kaputt und stoßen zudem viele Schadstoffe aus. "Die Luft hier wird immer schlechter." Viele Menschen haben in dieser schweren Zeit ihren Job verloren, erzählt Wallstabe weiter. "Obwohl es nun wieder Essen zu kaufen gibt, haben viel mehr Leute als zuvor kein regelmäßiges Einkommen." Eine der wichtigsten Aufgaben sieht Wallstabe darin, die Elektrizitäts-Infrastruktur wieder aufzubauen. Die meisten Stromkabel sind oberirdisch und durch den Sturm zerstört worden.

"Mittel- und langfristig muss die Insel über ihren Energiemix nachdenken", sagt die junge Bayerin. Das Thema liegt ihr am Herzen: "Die Sonne scheint durchschnittlich 7,44 Stunden am Tag, mit durchschnittlich 2829 Sonnenstunden pro Jahr. Es gibt viele Flüsse für Wasserkraft und es gibt etliche erneuerbare Rohstoffquellen."

Als Angestellte in einem Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit arbeitet Wallstabe mit vielen Organisationen und Firmen zusammen, die nach erneuerbaren Energielösungen suchen. "Deutsche Technologie wird bevorzugt."

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