Dem Herzen Beine machen

Vor 50 Jahren wurde der Schrittmacher erfunden. Jährlich 65000 Implantationen
von  Abendzeitung
Im Röntgenbild gut zu erkennen: Das in die Brust implantierte Titangehäuse des Herzschrittmachers mit seinen Verkabelungen.Foto: dpa
Im Röntgenbild gut zu erkennen: Das in die Brust implantierte Titangehäuse des Herzschrittmachers mit seinen Verkabelungen.Foto: dpa © az

Vor 50 Jahren wurde der Schrittmacher erfunden. Jährlich 65000 Implantationen

Er wird heuer 90 Jahre alt, raucht wie ein Schlot, ist geistig höchst rege – und müsste eigentlich schon längst tot sein. Altkanzler Helmut Schmidt ist das lebende Beispiel dafür, welche bahnbrechende Erfindung vor nun genau 50 Jahren der Herzschrittmacher war: Der Hanseat trägt inzwischen schon das vierte dieser kleinen Geräte in seiner Brust.

Die Erfolgsgeschichte begann im Jahr 1958 in Schweden: Arne Larsson schien dem Tod geweiht. Nach einer Hepatitis-Infektion war sein Puls drastisch gesunken, fast täglich verlor er das Bewusstsein. Auf Drängen von Larssons Frau entwarf der Stockholmer Ingenieur Rune Elmquist ein implantierbares Gerät, das den Herzschlag anregen sollte. Er verlötete zwei Transistoren mit einer Batterie und packte das Ganze in eine Schuhcremedose.

Diese Büchse pflanzte der Kardiologe Ake Senning am 8. Oktober 1958 in die Brust von Larsson – es war die weltweit erste Implantation eines Herzschrittmachers. Genau 50 Jahre später sind die Taktgeber aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken.

Mit den frühen Prototypen lassen sich die modernen Hightech-Geräte kaum noch vergleichen. Statt in einer Schuhcremedose steckt das Aggregat inzwischen in einem Titangehäuse, kaum größer als ein Zwei-Euro-Stück. Und während die alten Geräte dem Herzen eine feste Pulsfrequenz vorgaben, passen sich viele heutige Taktgeber dem Organismus des Patienten an: Sie senken den Herzschlag beim Schlafen, beschleunigen ihn bei Belastung.

Die damals sensationelle Implantation ist inzwischen ein Routineeingriff, der oft sogar ambulant erfolgt und meist unter einer Stunde dauert.

Im Jahr 2006 pflanzten deutsche Ärzte rund 65000 Menschen einen Schrittmacher neu ein. In keinem anderen europäischen Land bekommen auch nur annähernd so viele Menschen solche Geräte. „Es werden zu viele Schrittmacher implantiert“, sagt der Leipziger Kardiologe Dietrich Pfeiffer.

Dass die Zahl der Kliniken steigt, die den Eingriff anbieten, „lässt vermuten, dass die Herzschrittmacher-Chirurgie ökonomisch attraktiv zu sein scheint“, konstatiert der jüngste Bericht des Zentralregisters Herzschrittmacher nüchtern. Medizinisch notwendig ist es in vielen Fällen nicht.

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