Das Wunder von Chile: Jubel und Tränen nach Kumpelrettung

Das Wunder von Chile löst einen Sturm der Gefühle aus. Die spektakuläre Rettung der ersten Kumpel aus dem Bergwerk läuft reibungslos an. Mittlerweile sind elf Menschen wieder an der Oberfläche.
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Florencio Avalos ist als Erster gerettet und wird von Chiles Präsident Sebastian Pinera umarmt
dpa Florencio Avalos ist als Erster gerettet und wird von Chiles Präsident Sebastian Pinera umarmt

BERGWERK SAN JOSE - Das Wunder von Chile löst einen Sturm der Gefühle aus. Die spektakuläre Rettung der ersten Kumpel aus dem Bergwerk läuft reibungslos an. Mittlerweile sind elf Menschen wieder an der Oberfläche.

Sirenen heulen, eine Glocke an der Behelfsschule bimmelt wie bei einem Feuersturm. Autos hupen, Menschen tanzen um rotglühende Kohlefeuer. Luftballons steigen in den chilenischen Nationalfarben Rot, Weiß und Blau in den sternenfunkelnden Himmel über der Wüste. Konfettibomben lassen einen bunten Papierregen auf die Menschen niedergehen.

Hartgesottenen Journalisten stockt bei Live-Berichten die Stimme, Tränen schießen ihnen in die Augen. „Sieh mal, der Herr ist überwältigt“, sagt Maria Herrera staunend, als ein Reporter neben ihr in Tränen ausbricht. Ein Kommentator des chilenischen Staatsfernsehens meint: „Die Erde hat heute einen Sohn geboren“.

Dann kommt die Kapsel mit Mario Sepúlveda, dem Spaßvogel und „Talkmaster“ der Kumpel, durch den Rettungsschacht. Erst umarmt er seine Frau, dann alle Umstehenden – egal ob Präsident Sebastián Piñera oder einen einfachen Maschinisten. Mit seiner dunklen Sonnenbrille springt er dann wie ein Derwisch um das Bohrloch und feuerte die staunenden Bohrarbeiter noch einmal kräftig zu einem weiteren „Chi Chi Chi, Le Le Le“ an. Erst dann geht es auf einer Trage in das Behelfslazarett.

Später übt er sich in Bescheidenheit. „Ich werde nie müde, mich zu bedanken“, sagt er. „Ich bin sehr glücklich, hier oben zu sein. Ich war immer sicher, dass ich heraus komme und ich habe immer daran geglaubt.“ Sepúlveda bitte die Medien auch, ihn nicht wie einen Star, Künstler oder Journalisten zu behandeln: „Ich will, dass Sie mich wie den behandeln, der ich bin – ein Bergarbeiter.“

Unterdessen wurde an der Erdoberfläche der Rettungslift gewartet. Denn obwohl die beispiellose Bergungsaktion bislang planmäßig verlief, befürchteten Experten ein Heißlaufen des Lifts oder Steinschlag.

Zuvor war der jüngste Kumpel, der 19-jährige Jimmy Sánchez, nach oben geholt worden. Der Vater eines vier Monate alten Mädchens hielt beim Ausstieg aus der Rettungskapsel "Phoenix" die blaue Fahne seines Lieblingsfußballvereins Universidad de Chile in der Hand. Gott habe wohl gewollt, dass er noch am Leben bleibe, sagte er bewegt. Vielleicht, damit er sich ändere. Und genau das wolle er tun. Er habe viel nachgedacht und danke Gott für seine Tochter.

Bolivianischer Präsident vor Ort

Als erster Kumpel wurde Florencio Avalos nach 69 Tagen in rund 700 Meter Tiefe gerettet. Kurz nach Mitternacht (Ortszeit) heulten Sirenen, um den erfolgreichen Beginn einer vielleicht 36-stündigen Bergungsaktion zu verkünden. Dann wurde Mario Sepúlveda Espina in der vier Tonnen schweren Kapsel nach oben geholt, die einen Durchmesser von 53 Zentimetern hat. Als Dritter wurde Juan Andres Illanes befreit.

Danach kam der einzige Ausländer unter den Verschütteten an die Reihe: Der Bolivianer Carlos Mamani wurde von seiner Frau Veronica begrüßt und rief "Danke, Chile!". Der chilenische Präsident Sebastián Piñera und seine Frau schwenkten kleine bolivianische Flaggen. Etwas später erhielt der 24-Jährige Besuch vom bolivianischen Staatschef Evo Morales, der Mamani bei seiner Rückkehr nach Bolivien Arbeit und ein Haus versprochen hatte.

Piñera hielt nach der Ankunft von Avalos eine emotionale Rede. Er beschrieb, wie schön es sei, Avalos' Söhne ihren Vater begrüßen zu sehen, insbesondere den kleinen Bairon. "Ich sagte Florencio, ich habe nicht oft einen Sohn seinem Vater so viel Liebe zeigen sehen." Weiter sagte der Präsident: "Das hier ist nicht vorbei, bevor alle 33 oben sind. Hoffentlich wird der Geist dieser Bergleute immer mit uns sein. Dieses Land ist zu großen Dingen fähig." Er versprach eine komplette Reform der Bergbaubranche, einen besseren Schutz der Bergleute und strengere Sicherheitsrichtlinien.

Avalos war vor dem Einsturz am 5. August der zweite Vorarbeiter nach Luis Urzua. Urzua wird vermutlich als Letzter geborgen – seiner Führung soll es zu verdanken sein, dass die Bergleute zweieinhalb Wochen mit Notfallrationen überlebten, die für 48 Stunden gedacht waren.

Mehr als 17 Tage waren die Kumpel nach dem Grubenunglück völlig von der Außenwelt abgeschnitten, erst danach konnten sie über einen Schacht versorgt werden. Noch nie waren Menschen so lange Zeit und in so großer Tiefe eingeschlossen und haben das überlebt. Die 33 Bergleute wurden am 5. August in der Gold- und Kupfermine San José verschüttet.

Die Rettungsaktion ist minutiös geplant. Gesundheitsminister Jaime Manalich sagte vor Beginn, als erste würden vier der physisch und psychisch fittesten Bergleute nach oben geholt. Sollte es Probleme geben, könnten sie am besten damit umgehen und später den Schwächeren sagen, wie sie diese meistern können. Danach würden die zehn schwächsten heraufgeholt: Ein Mann leidet unter Bluthochdruck, ein anderer an Diabetes, andere haben Zahn- und Atemwegsinfektionen oder Hautverletzungen. Zum Schluss sollen wieder psychisch und physisch am meisten belastbare Kumpel an die Reihe kommen.dpa/dapd

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