Das Traumschiff bleibt deutsch

Der Münchner Finanzinvestor Dirk Markus wollte es ausflaggen – angesichts der Proteste sieht er jetzt doch davon ab.
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Der Münchner Finanzinvestor Dirk Markus wollte es ausflaggen – angesichts der Proteste sieht er jetzt doch davon ab. Durch den Streit kam Markus zu mehr Prominenz, als ihm lieb sein dürfte

München -  Wahrscheinlich bereut er die Sache mit der „MS Deutschland” bereits gründlich. Dirk Markus, Chef des Finanzinvestors Aurelius aus München, dürfte von der Diskussion um das „Traumschiff” ziemlich angenervt sein. Kein Wunder: Bis vor kurzem war er der Öffentlichkeit kaum bekannt. Jetzt wurde er vorgeführt – als Buhmann der fernsehguckenden Schifffahrtsnation, als Heuschrecke, Aasgeier. Und er musste klein beigeben.

Seit gestern ist klar: Die „MS Deutschland” wird nicht maltesisch, sondern bleibt deutsch, trotz der 1,5 Millionen Euro an Mehrkosten pro Jahr, die die Reederei Deilmann für die deutsche Flagge wegen höherer Steuern, Gebühren und Lohnkosten veranschlagt. „Die Entscheidung trägt der emotionalen Stimmung Rechnung”, gibt Deilmann bekannt. Sogar Kapitän Andreas Jungblut, der öffentlich gegen die Ausflaggung gewütet hatte („so, als würde man das Brandenburger Tor an die Chinesen verkaufen”) darf an Bord bleiben.

Zuletzt hatte selbst der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto (FDP), der Reederei „mangelndes Fingerspitzengefühl” vorgeworfen. Eine schwierige Situation für Deilmann: Der Streit drohte den „Traumschiff”-Nimbus nachhaltig zu zerstören. Jetzt traut sich Deilmann nur noch, zaghaft um Flaggen-Subventionen wie in früheren Jahren zu bitten.
Und Dirk Markus hängt weiter der Ruch des maritimen Vaterlandsverräters an. Dabei war er bisher vor allem ein erfolgreicher Geschäftsmann, der zahlreiche Unternehmen aufkaufte und weiterverkaufte (siehe Info).

Doch wie das so ist mit den knallharten Managern: Irgendwann (in diesem Fall schon mit Ende 30) haben sie den kalten Erfolg satt, werden sentimental. Im Fall von Dirk Markus heißt das: Der Manager entdeckt seine kunstsinnige Seite und rettet die wunderhübsche Villa Pemsel in Feldafing vor dem Abbruch, wird dafür mit einem Denkmalpreis ausgezeichnet. Er sammelt sozialistische Plakatkunst. Und er kauft sich ein Traumschiff.

Die Reederei macht nur einen kleinen Anteil an seiner Firmensammlung aus, doch Markus investiert viel Zeit in sie. „Ich bin alle paar Wochen an Bord”, berichtet er der „Welt am Sonntag”. „Ich bin doch jetzt der Eigner und Reeder. Da muss ich doch mitfahren und nach dem Rechten sehen!” Markus schüttelt die Hände der großteils angegrauten Passagiere. „Sie wollen den Mister Traumschiff persönlich kennenlernen, und das mache ich gerne.”

Alles wäre wunderbar, gäbe es nicht Gisa und Hedda Deilmann, Töchter des 2003 verstorbenen Reeders Peter Deilmann. Markus hatte die insolvente Reederei 2010 offensichtlich auf Drängen der Deutschen Bank übernommen, die Angst um ihre Kredite an Deilmann hatte. Dem Familienunternehmen ging es zu diesem Zeitpunkt gar nicht gut: Wegen der US-Immobilienkrise waren amerikanische Kunden ausgeblieben, niedrige Pegelstände hatten die Flussschiffahrt zum Teil lahmgelegt, dann brannte es auf der „MS Deutschland”.
Dirk Markus glaubt trotzdem an die Zukunft der Reederei, aber er glaubt nicht unbedingt an die Kompetenz der Deilmann-Zwillinge. Hieß es anfangs, die Familie könnte knapp ein Viertel des Unternehmens behalten, sind es am Ende fünf Prozent, die Deilmanns Witwe erhält. Und die Arbeitsverträge mit den Erbinnen laufen nur auf ein Jahr, anstatt, wie sie es eigentlich wollten, noch fünf Jahre.

Die Schilderungen über die Genese des Streits zwischen Markus und den Deilmanns gehen sehr weit auseinander. Die beiden Frauen gelten nicht als kaufmännische Allroundtalente und müssen sich während des raubeinigens Schlagabtauschs,die die Insolvenz mit sich bringt, allerlei Hässlichkeiten gefallen lassen. Der Ton zwischen ihnen und Markus wurde ab einem bestimmten Punkt ziemlich unverblümt. Die Deilmanns zitieren in einem Buch eine angebliche Mail Markus’ mit Anweisungen zum Bordprogramm am „Traumschiff”: „Peter Deilmann ist tot: keine selbstbeweihräuchernden Vorträge über sein tolles Unternehmerleben.”

Markus selbst rechtfertigt sein Auftreten unter anderem so: „In der Praxis hat sich gezeigt, dass die beiden Damen erst gegen elf Uhr ins Büro kamen und zumeist vor 15 Uhr wieder gingen.” Am Ende schmeißt er die Frauen raus – höchstpersönlich, mit einer 30-Minuten-Frist, ihr Büro zu räumen, behaupten die Schwestern. Markus dagegen berichtet von „klaren Anzeichen, dass es zu ganz erheblichen Unregelmäßigkeiten zulasten des Unternehmens gekommen war”. Ende 2011 meldeten die Erbinnen Privatinsolvenz an. Seit längerem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung.

Ziemlich unschöne Nachrichten – jetzt kam dazu der leidige Streit um die Flagge. Markus ist zurzeit nicht zu sprechen – er ist gerade mit einem Firmenverkauf beschäftigt. Schade eigentlich. Man hätte ihn fragen wollen, ob er auch künftig als Passagier auf der „MS Deutschland” mitfahren wird. Schließlich ist es doch sein Traumschiff. 

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