Das statt Fleisch auf dem Teller? So könnte unsere Ernährung bald wirklich aussehen

Klimaschutz, Tierwohl und Gesundheit: Die Gründe für das Umdenken hinzu alternativen Proteinquellen anstelle konventioneller Lebensmittel sind vielfältig.
Der Fleischkonsum der Deutschen ist seit Jahren rückläufig, der Pro-Kopf-Verzehr von Rind- und Kalbfleisch etwa sank 2023 um fast fünf Prozent auf 8,9 Kilogramm pro Person. Dies belegten in diesem Jahr Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
Gleichzeitig ernähren sich rund zwölf Prozent der Menschen in Deutschland vegetarisch oder vegan, wie im Jahr 2023 eine Forsa-Umfrage deutlich machte.
Was steht auf dem Speiseplan der Zukunft?
Werden Algen, In-vitro-Fleisch und Insekten die neuen Proteinquellen sein? Und: Sind diese wirklich umweltfreundlicher und weniger gesundheitsschädlich? Alternative Proteinquellen seien eine gute Ergänzung zu herkömmlichen Lebens- und Futtermitteln, heißt es vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) diese Woche in einer Mitteilung. Jedoch könnten sich mit der Einführung alternativer Proteinquellen neue gesundheitliche Risiken ergeben, die rechtzeitig erkannt und bewertet werden müssten, warnt der BfR-Präsident Professor Andreas Hensel.

Das BfR hat mögliche Auswirkungen solcher Ersatzprodukte auf die Gesundheit vorgestellt. Demnach gehören zu alternativen Proteinlieferanten zum einen Pflanzen, die bisher nicht oder kaum in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie genutzt wurden, etwa Hülsenfrüchte wie Lupinen.
Auch tierbasierte Eiweißquellen wie Insekten oder "Kunstfleisch" aus Kulturen tierischer Zellen sowie mikrobiell erzeugte Protein-Biomasse werden laut BfR als alternative Eiweißquellen erforscht.
Noch gibt es kein in-vitro-Fleisch
In-vitro-Fleisch ist auf dem EU-Markt noch nicht erhältlich. Produkte auf Insektenbasis hingegen sind bereits zugelassen worden, wie das Kompetenzzentrum für Ernährung (Kern) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) auf seiner Webseite schreibt.
Generell werde bei jedem Lebensmittel durch die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor dessen Zulassung auf dem Markt sichergestellt, dass von diesem kein gesundheitliches Risiko ausgehe, sagt Bernd Schäfer von der Fachgruppe Lebensmitteltoxikologie des BfR. Sprich: "Nur sichere Lebensmittel kommen überhaupt auf den Markt."
Gesundheitliche Folgen seien durch die sogenannten "neuartigen Proteinquellen" nicht mehr oder weniger zu erwarten als durch traditionelle. Gemeint sind bei Letzteren Fleisch, Eier, Joghurt oder Käse.
Dennoch gebe es einige Gesundheitsrisiken: Das Spektrum reiche von allergischen Reaktionen, über mikrobiologische Risiken durch Hygienemängel, - etwa Salmonellen -, bis hin zu Gefahren durch Kontaminanten wie Pestizide oder Schwermetalle.
"Auf Insekten reagieren manche allergisch"
Das BfR nennt konkrete Beispiele: Beim Verzehr von Insekten bestehe demnach ein Allergie-Risiko. Vor allem bei Menschen, die allergisch gegen Hausstaubmilben, Krebstiere oder Mollusken (Weichtiere) seien, bestünde das Risiko, dass sie auch auf Lebensmittel mit Insektenprotein mit einer Allergie reagieren würden.
Sie bringen auch Vorteile mit sich: Dem Insektenprotein wird laut dem Kompetenzzentrum für Ernährung in Bayern ein hoher Gehalt an essenziellen Aminosäuren nachgesagt. Zudem könnten sie reichlich Mineralstoffe, wie Eisen sowie Zink liefern und eben Proteine.
Getrocknete Meeresalgen wiederum könnten dem BfR zufolge hohe Jodgehalte aufweisen, die eine Überfunktion der Schilddrüse verursachen könnten. Laut "Ernährungsradar" des Kern sind Algen generell jedoch reich an Protein, Ballaststoffen und Vitamin B12.
Künstliches Fleisch zu teuer
In-vitro-Fleisch hätte demnach auf der einen Seite einen hohen Eiweißgehalt. Als Nachteile werden im "Ernährungsradar" der hohe Preis genannt, ebenso wie die Akzeptanz der Verbraucher und fragliche ethische Methoden.
In Bezug auf Futtermittel gäbe es zudem, so das BfR weiter, mögliche gesundheitliche Auswirkungen von alternativen Proteinquellen auf die Nutztiere: Untersuchungen am BfR hätten zum Beispiel gezeigt, dass gesundheitlich problematische Inhaltsstoffe aus dem Tierfutter in die Milch von Kühen übergehen können, etwa Bitterstoffe aus Lupinen.
Das Kompetenzzentrum für Ernährung in Bayern schlussfolgert in seiner Studie: "Eine Ernährung mit alternativen Proteinen kann sowohl negative als auch positive Folgen für die Nährstoffversorgung und Gesundheit haben."
Professor Hans Hauner leitet das Institut für Ernährungsmedizin am Klinikum rechts der Isar der TUM. Er sagt der AZ: "Alternative Fleischquellen können ein gleichwertiger Ersatz für bisherige tierische Produkte sein." Dafür müsste jedoch der Preis verbrauchergerechter werden. Dann seien derartige Proteinlieferanten "aus ökologischer Sicht ein sinnvoller Beitrag, um die bisherige Umweltbelastung durch die Massentierhaltung zurückzudrängen."
Fleisch ist zu billig
Künstliches Fleisch ist derzeit noch sehr teuer - im Gegenteil zum Fleisch aus dem Supermarkt. "Die Preise für Fleisch- und Wurstwaren in Deutschland sind - gemessen an den Umweltkosten - viel zu billig, da die Ökobilanz schlecht ist", sagt Hauner.
Gegen traditionelle Fleischwaren, die deutlich günstiger seien, könnten sich die Alternativen zum jetzigen Stand niemals durchsetzen. Vor allem auch wegen des Preises seien derartige Produkte in Bayern deshalb noch Zukunftsmusik, sagt Hauner.
Ebenso steht es um Ersatzlebensmittel wie Heuschrecken, Mehlwürmer und Grillen. Der Verzehr von Insekten habe sich ebenfalls nicht durchgesetzt. Obwohl sie eine deutlich umweltfreundlichere, tierische Eiweißquelle seien, sagt Hauner.
Eine Heuschreckenfarm, wie es sie schon in anderen Ländern gebe, produziere weniger CO2 als eine Landwirtschaft mit Rindern.
Auf der anderen Seite würden wiederum tierische Eiweißquellen viel Vitamin B12 enthalten, was essenziell für den Menschen sei. "Kunstfleischprodukte müssten künftig diese Komponente enthalten, ebenso wie Eisen."
"Bei Verbrauchern stoßen die Produkte noch auf Ekel"
Doch bei Verbrauchern stoßen diese Tiere als Nahrungsmittel noch auf Skepsis, sagt Hauner. Auch Daniela Krehl vom Referat Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Bayern bestätigt der AZ dies. Grillen, Heuschrecken und Mehlwürmer als Nahrungsquelle würden bei Verbrauchern noch auf einen gewissen Ekel stoßen.
Vor einigen Jahre habe es einen kurzen Hype zu Insekten in Lebensmitteln gegeben. Doch seien Produkte wie Insekten-Pasta oder Fitnessriegel auf Basis von Mehlwürmern schnell wieder zum Ladenhüter geworden und schließlich aus den Supermarktregalen verschwunden. "Sie konnten sich nicht etablieren." Auch Krehl nennt als einen Grund den Preis: "Insektenmehl liegt bei 100 Euro pro Kilo."
Anders sei es mit Fleischersatzprodukten auf Pflanzenbasis wie veganes Schnitzel. Diese würden gerne gekauft. "Tendenz steigend", sagt Krehl.
Generell müsse sich unser aller Ernährung in Zukunft ändern, "um unser Klimaproblem besser in den Griff zu bekommen", so Hauner. Ernährungswissenschaft, Politik und Landwirtschaft müssten dafür an einem Strang ziehen und gemeinsam das Thema alternative Lebensmittel vorantreiben.