Das Problem der Autobauer in China
Die bayerischen Premium-Hersteller können nicht mehr auf hohe Zuwachsraten in China hoffen. Was die Autobauer für die Zukunft erwarten.
München - Sie lassen es krachen, die deutschen Autohersteller auf der Shanghai Motor Show. Mit viel Lasergeblitze, Dezibel und Showeinlagen. Der größte Kracher wäre es freilich für die Medien gewesen, wenn VW-Chef Martin Winterkorn wie geplant gestern aufgetreten und etwas zum Machtpoker mit Patriarch Ferdinand Piëch zum Besten gegeben hätte – sei es auch nur in einem Halbsatz.
Doch Winterkorn erschien nicht in Shanghai. Er überließ VW-China-Chef Jochem Heizmann die Bühne, der sich wegen des für westliche Journalisten ungewöhnlichen Formats der „Pressekonferenz“ genannten Marketingveranstaltungen nicht bohrenden Fragen wegen des Absatzrückgangs um 0,6 Prozent im ersten Quartal in China stellen musste.
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Die Zahlen von Audi: Gleich gegenüber konnte der Vorstandschef der Premium-Tochter Audi, Rupert Stadler, ganz anders auf den Putz hauen: Bald schon werde man in China drei Millionen Fahrzeuge mit den vier Ringen auf dem Kühlergrill verkauft haben, kündigte Stadler an. 85 Prozent davon seien in China produziert worden. Im März legten die Audi-Verkäufe im Reich der Mitte gar nur um 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu.
Die Zahlen von BMW: Auf mehr als zwei Millionen in China verkaufte Automobile blickte BMW-Vorstand Ian Robertson zurück. Freilich müssen auch die deutschen Premium-Hersteller im Reich der Mitte jetzt kleinere Brötchen backen. Mit jährlichen Zuwachsraten von 16,6 Prozent bei BMW/Mini im vergangenen Jahr ist 2015 nicht mehr zu rechnen. Das zeigte schon das erste Quartal dieses Jahres, welches das China-Wachstum der bayerischen Premium-Anbieter auf rund sieben Prozent begrenzte.
Die Zahlen von Daimler: Eine Ausnahme bildet Mercedes. Die Stuttgarter verzeichneten im März in China ein Absatzplus von mehr als 20 Prozent. Das liegt freilich auch daran, dass Mercedes dort einiges nachzuholen hat. 2015 wollen die Schwaben in China 300.000 Fahrzeuge verkaufen, während man bei Audi das Doppelte und bei BMW etwa eine halbe Million anpeilt.
Der chinesische Automarkt: Er ist der größte der Welt und für alle drei deutschen Premium-Hersteller nach Stückzahlen auch zum wichtigsten Absatzmarkt geworden. Am stärksten ist die Abhängigkeit von Audi von der chinesischen Autokonjunktur. BMW-Vertriebschef Ian Robertson legt dagegen Wert auf einen „ausbalancierten“ Absatz zwischen den drei großen Verkaufsregionen Europa, Amerika und Asien.
Das Audi-BMW-Wettrennen: Während Daimler jetzt erst in die lokale Autoproduktion eingestiegen ist, liefern sich die beiden bayerischen Autobauer auch beim Ausbau ihrer chinesischen Produktionskapazitäten ein Rennen. Auf bis zu 450.000 Einheiten pro Jahr könnte BMW den Ausstoß der beiden Werke in Shenyang steigern. Bis 2017 will Audi in zwei chinesischen Fabriken 700.000 Autos pro Jahr vom Band rollen lassen.
Die China-Flaute: Und das alles, wo doch die Absatzkurve längst nicht mehr so steil nach oben zeigt wie in den vergangenen Jahren. BMW-Chef Norbert Reithofer hat sich schon vor einiger Zeit den harmlosen Begriff „Normalisierung“ einfallen lassen. In Ingolstadt spricht man von einem „gesunden, reifen Wachstum“, das nun Einzug halte und kein Grund zur Panik sei.
Die Probleme der Autobauer in China: Die ganz große Aufbruchstimmung ist verflogen in den brandneuen Messehallen Shanghais, die ausschweifende Party beendet. Die bayerischen Nobelautoanbieter werden gleich von mehreren Seiten in die Zange genommen: Vom sich abschwächenden Wachstum in China, von der wachsenden Zahl an Wettbewerbern, die auf den chinesischen Markt drängen – einschließlich Mercedes –, und von den Dauerstaus in den Mega-Cities, von denen bereits acht die Fahrzeugzulassungen reglementiert haben.
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Die Wünsche der Kunden: Chinas Vorstellungen werden immer vielfältiger. BMW-China-Chef Karsten Engel bestreitet zwar, eine Entwicklung verschlafen zu haben. Tatsache aber ist, dass die Zahl der Zulassungen von so genannten SUVs in China im vergangenen Jahr um 36 Prozent gestiegen sind. Profitiert haben davon vor allem chinesische Hersteller. Auf der Auto-Show in Shanghai aber legten die Bayern kräftig nach und waren sich dabei recht ähnlich: BMW präsentierte die Hybridversion des X5, die trotz 313 PS nur 3,3 Liter Sprit auf 100 Kilometer verbrauchen soll.
Audi brachte den wohlhabenden und zugleich umweltbewussten Chinesen den Q7 e-tron mit 367 PS nahe, der mit nur 2,5 Litern auf 100 Kilometer auskommen soll. Freilich spielt automobile Vernunft im Reich der Mitte derzeit eine noch untergeordnete Rolle. Deshalb lagen wohl auch die Marketingstrategen von BMW nicht falsch, die in einer Show dem begeisterten chinesischen Publikum das Größte und Stärkste vorführten, das sie derzeit im Angebot haben: Den X5M und den X6M mit PS-Ausstattung weit jenseits der Vernunft.
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