Das iPad im Test: Revolutionäres Spielzeug

AZ-Autor Richard Gutjahr hat das erste weltweit verkaufte iPad nach Bayern geholt und seitdem ausgiebig getestet. Er verrät, was das Ding kann und für wen sich der Kauf lohnt
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AZ-Autor Richard Gutjahr hat das erste weltweit verkaufte iPad nach Bayern geholt und seitdem ausgiebig getestet. Er verrät, was das Ding kann und für wen sich der Kauf lohnt

Vor zwei Monaten habe ich gezockt. Mein Einsatz: 500 Dollar. Versprochen wurde mir: ein revolutionäres, magisches Gerät. 500 Dollar für ein Ding, von dem ich noch nicht einmal wusste, ob ich es überhaupt brauche:

Ist der Hype gerechtfertigt?

In den USA verkauft sich das Gerät wie geschnitten Brot: eine Million Geräte allein im ersten Monat. Das iPhone hatte die Millionen-Marke erst nach zwei Monaten geknackt. 55 Tage habe ich das iPad jetzt. Mein neues Spielzeug hat mir so manche Wartezeit verkürzt, zum Beispiel, als ich wegen der Aschewolke am Flughafen festsaß. Auch Zugfahrten machen mehr Spaß: Brettspiele, Bücher oder meine Lieblingsserie, ich habe alles dabei, die Batterie hält ewig. Und ja, auch das will ich nicht verschweigen: es sorgt für jede Menge Aufmerksamkeit. Ein Chick-Magnet, wie die Amerikaner sagen – ein Hasen-Köder. Aber reicht das, um einen Preis von 499 Euro für das Einstiegsmodell (mit 16 GB Speicher und WLan-Modul) oder gar 799 Euro für die teuerste Variante (64 GB und zusätzlich UMTS) , zu rechtfertigen?

Mein Urteil: Ja. Allerdings nur, solange man sich keine Illusion darüber macht, was das Gerät kann und was nicht.

Ein Computer für Couch-Potatoes?

Der Medienexperte und Bestseller-Autor Jeff Jarvis („What Would Google Do?“) hat sein iPad vor laufender Kamera wieder zurückgegeben. Das Gerät sei ein Rückschritt, es verdamme den Internet-Nutzer zurück in die Rolle des passiven Konsumenten. Ich bin da anderer Meinung: das iPad ist kein Ersatz für einen Laptop oder einen PC; Das iPad ist eine wunderbare Medien-Konsum-Maschine. Es ist nicht dazu da, um damit zu arbeiten, um mit PDF-Dokumenten, Powerpoint-Folien oder Excel-Tabellen zu jonglieren. Wer das will, steckt sein Geld besser in einen ordentlichen Laptop. Es ist auch nur bedingt ein Ersatz für gedruckte Bücher. Das Display spiegelt enorm und bei direkter Sonneneinstrahlung erkennt man fast nichts mehr.

Einen USB-Anschluss für Drucker oder externe Datenträger sucht man vergeblich. Die Frage lautet daher nicht, was das Gerät kann. Apple's – zugegeben ungewöhnlicher – Ansatz lautet: worauf wurde bewusst verzichtet, damit das Gerät auch Menschen bedienen können, die schon mit einer Maus überfordert sind und mit Technik normalerweise nichts am Hut haben.

Herrschaft über die digitale Welt

Große Hoffnungen verknüpfen vor allem die Zeitungsverlage mit dem iPad. Was Apple-Chef Steve Jobs einst in der Musikindustrie mit dem iPod gelungen ist, soll nun mit digitalen Zeitungen und Zeitschriften auf dem iPad gelingen: die Menschen sollen für das Lesen im Netz wieder zahlen. „Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet“, so Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner. Doch für Apple, Microsoft und Google geht es um mehr – es geht um nichts Geringeres als um die Herrschaft über die digitale Welt.

Früher waren die Rollen klar verteilt: Apple baute Computer. Microsoft schrieb Software. Google war Dienstleister. Heute liefern sich die Drei eine Schlacht an allen Fronten. Denn die großen Player wissen: nur wer dem Kunden das beste Zusammenspiel aus Software, Hardware und Internet-Anwendungen bietet, kann auf dem Markt die Spielregeln diktieren.

Die Konkurrenz schläft noch

Während Microsoft seine Pläne für ein eigenes Tablet überraschend wieder auf Eis gelegt hat, will Google noch in diesem Jahr einen mobilen Touchscreen-PC auf den Markt bringen. Experten sehen darin eine ernstzunehmende Konkurrenz für das iPad. Mit seinem Smartphone Nexus und dem Android-Betriebssystem hat Google binnen kürzester Zeit zum iPhone aufgeschlossen. Konkurrenz kommt auch aus einer völlig unerwarteten Richtung: aus Deutschland. Im Konrad-Zuse-Jahr will das Berliner Startup-Unternehmen Neofonie den Marktführern aus Kalifornien mit seinem weTab die Stirn bieten. Erste Produktvorführungen gerieten jedoch zum Debakel. Mit ihrem unfertigen Prototyp blamierten sich die Deutschen bis auf die Knochen. Wegen eines Namensstreites musste das einstige wePad dann umbenannt werden. Die Produktion kommt nicht in die Gänge, der Verkaufsstart rückt in immer weitere Ferne. Vor kurzem hatte ich die Chance, das weTab aus der Nähe zu betrachten. Anfassen durfte ich es nicht, ich hab's dann trotzdem getan). Design und Gewicht konnten mich nicht überzeugen.

Zugreifen oder nicht?

Eine klare Kaufempfehlung für alle Technikfreunde, die schon ein Laptop haben, quasi als kleiner Bruder zum Arbeitsgerät. Klare Kaufempfehlung auch für alle, die neben dem Fernsehen mal ins Internet gehen oder in der Küche schnell ein Kochrezept googeln wollen. Auch für Leute, die viel unterwegs sind, ist das Gerät sein Geld wert, schon wegen der langen Akkulaufzeit.

Warten sollten noch alle, die darauf spekulieren, dass es im Herbst bereits ein Nachfolgemodell mit Kamera oder mehr Speicher geben könnte. Apple nutzt die zweite Jahreshälfte gerne dazu, durch kleinere Updates (z.B. mehr Speicher) oder günstigere Preise das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln. Verzichten sollten alle, die ein Allround-Gerät brauchen und damit arbeiten wollen. Dafür ist das Apple-Tablet einfach nicht gemacht.

Das iPad gibt es ab 8 Uhr im Apple-Store in der Rosenstraße, und beim Apple-Händler Gravis im Tal. Saturn darf die Geräte nur an der Theresienhöhe verkaufen, weil es dort einen eigenen Apple-Shop gibt. Dort gibt es das IPad auf Druck von Apple erst ab 17 Uhr

Richard Gutjahr

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