Das Horrorhaus im Westerwald
Unbeschreibliche Grausamkeit in einem idyllischen Ort: Ein 48-Jähriger hat über Jahre hinweg seine Tochter und seine Stieftochter vergewaltigt
Fluterschen - Auf dem ersten Blick ist es ein malerisches Dorf. Eingebettet in die sanften Hügel des Westerwaldes. Die Vorfrühlingssonne scheint von einem blauen Himmel auf Einfamilienhäuser, einen Landgasthof, einige Handwerksbetriebe. Hier ist die Welt noch in Ordnung, könnte man meinen. Doch seit gestern tun sich in der 750-Seelen-Gemeinde Fluterschen finstere Abgründe auf. Einer der Dorfbewohner, ein 48-jähriger Mann, soll über Jahre hinweg seine Tochter und seine Stieftochter sexuell missbraucht und zur Prostitution gezwungen haben. Auf viele Einwohner wirkt das wie ein Keulenschlag.
Erst gestern kam alles ans Tageslicht, weil am kommenden Dienstag der Prozesse gegen den mutmaßlichen Täter beginnen soll. Doch der sitzt bereits seit 10. August des vergangenen Jahres in U-Haft. Er ist nicht vorbestraft, er schweigt zu allen Vorwürfen. Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft ihn in Sicherungsverwahrung nehmen lassen. Weil die Tatvorwürfe derart schwerwiegend sind. Und weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist, so die Begründung.
Die Vorwürfe im Einzelnen: Der Mann soll zwischen 1987 und 2010 Hunderte Sexualverbrechen verübt haben. Er soll seine Tochter und seine Stieftochter missbraucht haben – unter anderem in seinem Pkw in einem Wald in Altenkirchen. Zudem zwang er beide, mit zwei Männern in Altenkirchen und Straßenhaus gegen Bezahlung Sex zu haben, so die Anklage. Das Geld soll der Angeklagte kassiert haben.
Der 48-Jährige hat nach Informationen der „Rhein-Zeitung” mit seiner Stieftochter acht Kinder gezeugt. Eines der Kinder ist bereits tot. Nach außen behauptete die Familie, ein Unbekannter sei der Vater der Kinder. Aber: Es gibt einen DNA-Test, der die Vaterschaft des Angeklagten beweist.
In Rollen kam die Anklage durch einen Brief. Darin hatte eine der beiden missbrauchten jungen Frauen die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Täter aufgelistet.
Darüber, warum Polizei und Staatsanwaltschaft die Festnahme des 48-Jährigen ein halbes Jahr lang geheim hielten, gibt es nur Spekulationen.
So wird nach AZ-Informationen vermutet, dass dies auf Rücksicht auf die Opfer geschah, die inzwischen in einem Nachbardorf leben.
Wie konnte aber das schreckliche Verbrechen jahrelang unbemerkt bleiben? Ortsbürgermeister Ralf Lichtenthäler waren bis zur Verhaftung des Mannes keine Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Die Familie („es handelt sich um Zugezogene, die Familie hat hier keine Wurzeln”) sei nicht besonders aufgefallen. Er erinnert sich an eine Menge Kinder, sagte er der „Rhein-Zeitung”.
Ein Mann im Dorf sagt, dass sehr wohl in der Vergangenheit immer wieder Gerüchte bezüglich der Tatvorwürfe die Runde gemacht hätten. Doch konkret sei nichts bekannt gewesen. Die Kinder stammten von einem Unbekannten, habe es aus der Familie immer wieder geheißen.
Das wollen befragte Fluterscher nicht so ohne weiteres gelten lassen: „Die Kinder sehen aus wie geklont”, sagen sie, „das müsste doch auch den zuständigen Behörden aufgefallen sein.”
Ein Mann bestätigt das: „Warum hat niemand rechtzeitig eingegriffen?” Die Zustände in der Familie seien über Jahre hinweg untragbar gewesen, Alkoholmissbrauch und Schlägereien an der Tagesordnung. Auch die Polizei habe öfters zum dem Haus, das im Ortskern steht, ausrücken müssen.
Dem Horrorhaus in der Westerwald-Idylle.