Das harte Los der Frauen in Indien

Diskriminierung, Verstümmelung, Mord: Die tödliche Vergewaltigung in Neu Delhi ist kein Einzelfall. Jetzt fordern Demonstranten mehr Schutz für Frauen
Vanessa Assmann |
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Diskriminierung, Verstümmelung, Mord: Die tödliche Vergewaltigung in Neu Delhi ist kein Einzelfall. Jetzt fordern Demonstranten mehr Schutz für Frauen

NEU DELHI Kerzen flackern im Mondlicht, schweigend und mit gesenkten Köpfen sitzt die Gruppe Frauen am Boden: So wie hier in Neu Delhi haben in ganz Indien tausende Menschen über den Tod der 23-jährigen Studentin getrauert, die am Samstag an den Folgen einer Gruppenvergewaltigung starb und gestern eingeäschert wurde. Gleichzeitig gingen die seit zwei Wochen dauernden Proteste weiter, bei denen mehr Frauenrechte und eine strengere Rechtssprechung bei Gewalt gegen Frauen gefordert werden.

Denn der Fall der 23-Jährigen aus Neu Delhi, deren Namen bislang geheim blieb und die in der Öffentlichkeit „Furchtlose” und „Löwenherz” genannt wird, ist nur einer von vielen. Millionen Frauen leben in der stolz beschworenen „größten Demokratie der Welt”, die Frauen wie die frühere Ministerpräsidentin Indira Gandhi und die Autorin Arundathi Roy hervorgebracht hat, weitgehend schutzlos. Täglich kommt es zu Diskriminierungen, sexuellen Übergriffen, Verstümmelungen und Morden an Frauen.

Vergewaltigungen, wenn sie denn überhaupt angezeigt werden, bleiben oft folgenlos: Die Täter kommen meist ungestraft davon, mehr als 100.000 Verfahren sollen verschleppt worden sein. Neu Delhi gilt als „Vergewaltigungshauptstadt” des Subkontinents. Alle 14 Stunden, so offizielle Schätzungen, wird eine Frau Opfer sexueller Gewalt. Jedes zweite Opfer ist zwischen 18 und 30 Jahre alt.

Zwar werden manche Fälle bekannt – wie der einer 17-Jährigen, die von Polizisten gedrängt wurde, ihren Vergewaltiger zu heiraten, und daraufhin Selbstmord beging – doch noch nie ging ein so großer Aufschrei durch die indische Gesellschaft wie jetzt nach der Vergewaltigung in dem Bus. Plötzlich wird diskutiert über die Stellung der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft, wo Frauen zwar theoretisch rechtlich gleichgestellt sind, Männer aber immer noch das Sagen haben.

Wie sehr Frauen als Bürger zweiter Klasse gelten, zeigt sich an der Geburtenpraxis: Zwölf Millionen Mädchen sollen in Indien in den vergangenen drei Jahrzehnten abgetrieben worden sein. Viele sterben in den ersten Jahren, weshalb die Vereinten Nationen Indien als gefährlichsten Ort für aufwachsende Mädchen bezeichneten. Hauptgrund ist die hohe Mitgift, die Eltern bei einer Heirat zahlen müssen – und deren Jahreseinkommen oft übersteigt.

Überlebt ein Mädchen, hat es vielerorts kaum Rechte. Das zeigt sich bei der Bildung: So können drei Viertel der Männer lesen und schreiben, aber nur die Hälfte der Frauen. Für viele endet die Schulkarriere mit der ersten Regelblutung – vor allem, weil Schultoiletten fehlen.

All das spielt hinein, wenn jetzt landesweit Inder für einen besseren Umgang mit Frauen protestieren. Premier Manmohan Singh sagte, Indien müsse ein „sicherer Ort für Frauen” werden und rief zum gesellschaftlichen Wandel auf. Der Tod des Vergewaltigungsopfers möge „nicht umsonst” gewesen sein. Die mutmaßlichen Täter stehen im neuen Jahr vor Gericht – wegen Mordes. 

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