"Das Glück am Haken": So sexy ist das Angeln

Die Frage „Beißt was?“ entlockt ihnen höchstens ein „Mrrmpf“. Vier Millionen Deutsche machen Jagd auf Fische – die restlichen Millionen können die Faszination nicht verstehen.
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Bonjour tristesse – diesen Eindruck erweckt jedenfalls das Bild eines einsamen Anglers bei Schmuddelwetter (da beißen Fische angeblich am besten).
dpa Bonjour tristesse – diesen Eindruck erweckt jedenfalls das Bild eines einsamen Anglers bei Schmuddelwetter (da beißen Fische angeblich am besten).

Die Frage „Beißt was?“ entlockt ihnen höchstens ein „Mrrmpf“. Vier Millionen Deutsche machen Jagd auf Fische – die restlichen Millionen können die Faszination nicht verstehen.

MÜNCHEN Der Mann ist auf einer Mission: „Ich möchte den Beweis führen“, sagt Christoph Schwennicke, „dass Angler ausgesprochen sexy, geistreich und eloquent sind“. Er sagt es laut und deutlich, so ganz anders als seine Gesinnungsgenossen, die uns Nicht-Anglern am Ufer maulfaul und missmutig den Rücken zudrehen: Die Frage „Beißt was?“ entlockt ihnen höchstens ein „Mrrmpf.“

Schwennicke weiß um das Image-Problem einer menschlichen Unterart, die „manchmal in Kleidungsstücken an See oder Fluss steht, bei denen andere sogar zögern würden, sie in den Altkleider-Container zu werfen“. Aber er hat genug Passion, genug Selbstbewusstsein und genug Humor, dem Normalbürger die Junkies an Rute und Rolle näher zu erklären. „Das Glück am Haken – der ewige Traum vom dicken Fisch“ ist ein amüsantes Sittengemälde einer Szene zwischen Esoterik und High-Tech, zwischen Aal und Zander.

Vier Millionen Angler gibt es in Deutschland, und in Schwennicke haben sie einen wortgewaltigen Fürsprecher. Im Hauptberuf jagt er als „Spiegel“-Reporter den Berliner Politikern hinterher, viel lieber geht er aber auf Forellen oder Hecht. Wobei er Parallelen zwischen Beruf und Hobby gar nicht leugnen mag: „Ich würde nicht sagen, dass ich Menschen anfüttere“, sagt der Autor der AZ, „aber am Ende eines Geschäftsessens mit einem Politiker bekommt man doch vielleicht mal eine schöne Information.“

Das mit dem Anfüttern machen Angler sonst gerne mit Karpfen. Die Experten fernsteuern Modellboote über die Gewässer, um den bemoosten Lieblingen Knödelteig, Dosenmais oder sonstwas vors Maul kippen.

Das mit dem Haken kommt später.

Man erfährt viel über dumme Makrelen und über schlaue Neunaugen; über das Gefühl, sich einen Drillingshaken durch den Daumen zu bohren, was aber nichts ist gegen „den schlimmsten Schmerz, den Verlustschmerz, wenn ein guter Fisch in letzter Sekunde vom Haken springt“.

Schwennicke war fischen mit CSU-Größe Peter Ramsauer („Über den kann ich nie wieder ein Portrait schreiben“) und mit Freizeitfischer Donald Klein, der 15 Monate in iranischen Kerkern saß, weil sein Skipper im Persischen Golf die Hoheitsgewässer nicht genug kannte. Er erzählt von Bundeskanzlerin Angela Merkel Verbindung zu einer Fischerhütte und vom erotischen Maximum der Zunft: dem Schwarzfischen.

Da sich Maden im „Biofresh“-Fach im häuslichen Kühlschrank gerne selbständig machen, haben Angler gelegentlich Probleme mit der Ehefrau, räumt Schwennicke ein. Und auch die Wahl der Urlaubsorte in verregnet-feuchte Weltregionen trägt nicht zur Sozialverträglichkeit bei.

Mangelnde Akzeptanz machen Angler durch eine Art verschwiegenen Corpsgeist wett: „Freundschaften entwickeln sich im Anglersoziotop in rasender Geschwindigkeit.“ Und sie halten, weil man wenig Worte braucht, beteuert der Autor.

Von den Wepper-Brüdern über Rufus Beck bis zum Linken-Promi Jan Korte im Bundestag reicht das Spektrum einer heterogenen Bruderschaft, und Schwennicke versteigt sich zur These: „Wenn alle Menschen Angler wären, dann lebten wir in einer friedlichen Welt.“

Die Welt der Angler ist und bleibt eine seltsame, aber nach der Lektüre des Buchs erscheint sie doch ein wenig sympathischer.

Matthias Maus

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