Containerschiffe hängen in der Nordsee fest: Stau auf See, Stau an Land
Wie Ketten reihen sie sich in manchen Gebieten der Nordsee aneinander - Containerschiffe, die auf ihre Einfahrt in den Hafen warten. Gestörte Lieferketten, der Krieg in der Ukraine - es gibt derzeit viele Gründe für den Schiffsstau weltweit.
Nach Angaben des Kiel Trade Indicators des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) stauen sich in der Deutschen Bucht inzwischen 24 Containerschiffe und warten auf Abfertigung in Hamburg oder Bremerhaven. "Einige der Schiffe liegen dort nun schon etwa drei Wochen", teilte das Institut am Freitag mit.
24 Containerschiffe warten in der Deutschen Bucht auf Abfertigung
Folge unter anderem: "Das Frachtvolumen im Roten Meer, der Haupthandelsroute zwischen der EU und Asien, liegt gegenwärtig 21 Prozent niedriger, als unter normalen Umständen zu erwarten wäre." Der Stau vor den deutschen Nordseehäfen trage dazu bei, dass Containerschiffe nicht mehr pünktlich auslaufen können. "Die Container, die in den Hafen reinkommen, werden nicht so schnell abgeholt", erläutert Klaus Harald Holocher, Professor für Europäische Verkehrswirtschaft und Hafenmanagement an der Jade Hochschule im niedersächsischen Elsfleth, für die AZ.
"In den Häfen sind die Kapazitäten, was die Stellplätze betrifft, völlig ausgelastet." Die Container würden nicht rechtzeitig abgeholt. Sogenannte Versandcontainer, die aus dem Hinterland, etwa aus München, kämen, seien lange vor den Schiffen da und würden inzwischen von manchen Terminals nur noch ganz kurzfristig reingelassen, so Holocher.

"Da gibt's auch wieder Wartezeiten. Die Häfen stehen mit Containern voll." Personalmangel und -ausfälle wegen Corona seien ein Grund. Der Transport ins Hinterland zu Verbrauchern und von und zu Unternehmen sei somit auch durcheinander gekommen. Das Problem sei somit der Stau im Hafen, weniger der Stau auf See. Ausgang sei Chinas No-Covid-Politik.
Für die Besatzung sei dieser erzwungene Stillstand sogar eher eine Art Ruhepause, schildert Kapitän Christoph Wand, bis 2020 Präsident des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere, der AZ.
Chinas No-Covid-Politik als Ausgang der Problematik
"Längere Liegezeiten auf Reede sind zwar für die durchgetaktete Containerschifffahrt eher unnormal, sonst in der Seefahrt aber gang und gäbe." Maximal erlaubt für eine Besatzung sind laut Holocher elf Monate an Bord - wegen fehlender Ablösungen wird dies derzeit deutlich überschritten.
Dies gilt auch für Offiziere, die aber deutlich kürzer auf den Schiffen bleiben müssen, derzeit ein bis zwei Monate.
Was macht man so lange auf See? "Ganz normal arbeiten: Wache, Schreibarbeiten und vor allem viel Wartung - und endlich mal weniger Überstunden", berichtet Wand. "Die erste Zeit sind alle froh, dass mal Ruhe einkehrt; irgendwann wird's dann langweilig und nervt, aber nichts Tragisches ..." Das Wasser kann jedenfalls nicht knapp werden, dafür werde selbst gesorgt per Umkehrosmose oder Verdampfer.
Was ist mit der Ware? Sommermode etwa, sagt Holocher, kann ihr Verfalldatum überschreiten, und Läden, die jede Woche neue Produkte versprächen, könnten das vielleicht nicht einhalten. Wenn Schiffe dann in den Hafen dürfen, entscheidet der Hafenkapitän über die Reihenfolge - meist nach Wartezeit.
Eine solche Lage sei in den letzten Jahrzehnten nicht vorgekommen, sagt Holocher. "Und das wird sich noch bis Mitte nächsten Jahres fortsetzen."
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