Chinas Olympiawächter jagen kritische Störenfriede
Die chinesische Regierung richtet ausgesuchte Protestzonen ein, in denen demonstriert werden darf - allerdings nur mit behördlicher Genehmigung. Das Signal ist unmissverständlich: Olympia ja, Kritik nein danke.
Eine der sichersten Metropolen der Welt erlebt den größten Sicherheitseinsatz in der olympischen Geschichte. Liu Shaowu sieht darin keinen Widerspruch. Nie zuvor habe es so viele Athleten, Funktionäre und Journalisten gegeben, die zu Olympia anreisten. Nie zuvor habe China ein derart großes Ereignis organisiert, sagte der Sicherheitschef des Organisationskomitees (BOCOG) am Mittwoch vor der Presse in Peking. «Wenn so eine große Zahl von Menschen nach China kommt, werden internationale Terroristen eine Gelegenheit suchen.» Überhaupt hätten die terroristischen Aktivitäten weltweit zugenommen, da seien auch die Olympischen Spiele in Peking bedroht.
Soweit die offizielle Begründung. In Wirklichkeit geht es aber nicht allein um die Jagd nach Terroristen, sondern auch um alle Störenfriede, die mit politischen Protesten die Spiele stören und für einen Gesichtsverlust sorgen könnten, wie der höchste Olympiawächter nicht verheimlicht. Konfliktpotenzial gibt es genug: Nach der Niederschlagung der Proteste der Tibeter gegen die chinesische Fremdherrschaft im Frühjahr könnte es Zwischenfälle mit tibetischen Aktivisten geben. Internationale Menschenrechtsgruppen haben im Vorfeld von Olympia schon in Peking gegen mangelnde Meinungs- und Pressefreiheit demonstriert. Ferner haben auch ausländische Mitglieder der in China verbotene Kultbewegung Falun Gong früher schon mit spektakulären Aktionen die Aufmerksamkeit der Welt gesucht.
Hotelbetten bleiben leer
Mit der eingeschränkten Visavergabe, die für leere Hotelbetten in Peking sorgt, soll das Risiko durch ausländische Aktivisten eingedämmt werden. Wie bei früheren Spielen richtet Peking zwar drei Protestzonen in Parks ein, wo demonstriert werden könnte, doch keineswegs spontan. Es braucht eine behördliche Genehmigung. Anträge für Demonstrationen, die mehr Freiheit für Tibeter oder muslimische Uiguren fordern, dürften keine Chance haben. Solche «separatistischen Forderungen» verstoßen «gegen chinesischen Interessen». Ähnlich könnte eine Demonstration für Demokratie in China scheitern, da damit die verfassungsgemäß verankerte Führungsrolle der Kommunistischen Partei infrage gestellt würde. Wegen solcher «Untergrabung der Staatsgewalt» sitzt in China so mancher Bürgerrechtler in Haft.
Wanderarbeiter müssen Peking verlassen
Ohnehin beklagen Menschenrechtsgruppen, dass die Staatssicherheit mit dem Hinweis auf «friedliche» Spiele Bürgerrechtler verfolge, inhaftiere oder vor Gericht stelle. Die Kampagne treffe alle, die sich auflehnten. So wird auch befürchtet, dass unzufriedene Wanderarbeiter, ungerecht behandelte Bittsteller aus den Provinzen oder Pekinger Bürger, die für olympische Projekte ihre Wohnungen verloren haben, die Spiele stören könnten. Zehntausende Wanderarbeiter müssen die Stadt verlassen. Umgekehrt müssen heute Reisende, die nach Peking wollen, bis zu drei Kontrollen passieren, wo Ausweise geprüft und Fahrzeuge untersucht werden. Hunderte Kontrollposten sind über «drei Verteidigungslinien» verteilt.
Freiwillige Anti-Terror-Helfer
Um solche Personen ausfindig zu machen, «die ein spezifisches Risiko darstellen», sind zusätzlich Zehntausende freiwillige Helfer mobilisiert worden - zumeist aus Nachbarschaftskomitees, die alte kommunistische Zeiten überlebt haben. «Deren Informationen sind der wichtigste Weg, um jene unter Kontrolle zu bekommen, die die Spiele sabotieren wollen», sagt Olympia-Sicherheitschef Liu Shaowu. Seit dieser Woche patrouillieren auf wichtigen Straßen der Hauptstadt alle hundert Meter ältere Leute in rotweißen Polohemden, die die Pekinger Brauerei «Yanjing Bier» gestiftet hat. Einige hocken auch auf kleinen Hockern oder Mäuerchen, schwatzen oder wedeln sich während ihrer Wachaufgabe mit Fächern in der Sommerhitze frischen Wind zu. (dpa)
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