Chile - Die „Katze“ macht Mut

Krankheit, Anspannung, Angst: In 700 Metern Tiefe leben 33 verschüttete Männer in ständiger Gefahr – auch durch sich selbst. Doch es gibt Charaktere, die die Gemeinschaft stützen
von  Abendzeitung
Krankheit, Anspannung, Angst: In 700 Metern Tiefe leben 33 verschüttete Männer in ständiger Gefahr
Krankheit, Anspannung, Angst: In 700 Metern Tiefe leben 33 verschüttete Männer in ständiger Gefahr © dpa

Krankheit, Anspannung, Angst: In 700 Metern Tiefe leben 33 verschüttete Männer in ständiger Gefahr – auch durch sich selbst. Doch es gibt Charaktere, die die Gemeinschaft stützen

SANTIAGO In 700 Metern Tiefe, in einem Raum, zehn mal vier Meter groß, gibt es eine Kapelle. Hier, in der Enge, in der Hitze von 35 Grad, in der die 33 Bergleute seit 28 Tagen ausharren, hat Mario Gomez eine Gebetsecke eingerichtet. Der tiefgläubige 63-Jährige ist einer der „Anführer“ der verschütteten Kumpels von Chile. Er muss ihnen immer wieder neue Hoffnung machen. Gestern wurde die Bohrung eines Rettungschachts kurzfristig unterbrochen.

Eine unglaubliche Belastung. Gomez trauen die Retter oben am ehesten zu, dass er sie übersteht, und dass er die anderen aufrichtet.

Zur Religion fand er vor 30 Jahren, erzählt seine Familie. Da war er blinder Passagier auf einem Frachter – als Seemann war er in Brasilien gescheitert: „Auf der Rückfahrt war er elf Tage in einem Frachtraum eingesperrt,“ sagt sein Bruder Reinaldo der New York Times. „Er lebte von Wasser, das er in einem Schuh fing, und er las in einer kleinen Bibel.“ Später verlor er bei einem Unfall zwei Finger: „Man nennt ihn die Katze, weil er so viele Leben hat“, sagt sein Bruder.

Jetzt ist Gomez Ansprechpartner für die 15 Ärzte, Psychologen und Nasa-Experten oben, die den Kumpels unten überleben helfen. Am meisten sprechen sie mit Luis Urzua, Schichtführer der Gruppe. Der 54-Jährige besteht darauf, dass alle 33 erst essen, wenn Nahrung für alle durch die zehn Zentimeter breite Versorgungsröhre gelangt ist. Urzua leitet das Bohrteam an, und er wird es sein, der die Arbeitsschichten einteilt.

Auf dem Weg in die Tiefe wird das Bohrgestein nach oben gefördert. In einem zweiten Bohrgang von unten nach oben werden bis zu 4000 Tonnen Stein in die Gänge fallen: „Nur die Bergleute unten können die beseitigen,“ sagt der leitende Ingenieur André Sougarret. Knochenarbeit.

Die Kumpel müssen also fit bleiben. Dafür sorgt auch Johny Barrios. Der 50-Jährige hat in den Neunziger Jahren einen Sanitätskurs gemacht. Jetzt hat er seine Mitgefangenen geimpft, gegen Tetanus, Diphtherie und Lungenentzündung.

Die Bergleute haben sich organisiert, in Dreiergruppen in denen jeder auf die beiden anderen aufpasst. Die Strapazen für die 33 sind ungeheuer. Fünf der Kumpel haben sich erst nach Zögern fotografieren lassen. „Die Starken müssen die Schwachen stützen“, sagen die Psychologen, „und die Älteren die Jungen.“ Zum Beispiel Jimmy Sanchez, mit 19 der Jüngste.

Bevor gestern die Bohrarbeiten wieder anliefen, gab es Probleme mit dem Gestein. Der Rand des Bohrlochs musste gesichert werden. Mindestens bis Weihnachten wird die Rettung dauern. Matthias Maus

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