»Charlotte Lindholm ist keine Rabenmutter«

HAMBURG - An weibliche Kommissare im „Tatort“ haben sich die Zuschauer längst gewöhnt. Am Sonntag gibt es jetzt eine Premiere. Erstmals ermittelt in der ARD-Krimireihe eine Mutter mit Baby.
Maria Furtwängler hatte darauf gedrängt, dass ihre Kommissarin Charlotte Lindholm ein Kind bekommt und auch der neue Fall „Erntedank e. V.“ geht auf eine Idee der 41-jährigen Münchnerin zurück: In einer Kleingartensiedlung, in der sich Lindholm eigentlich erholen soll, gibt es plötzlich eine Leiche. Weil sich Lindholm offiziell im Mutterschaftsurlaub befindet, „konnten wir sie nicht auf einen richtig großen Fall ansetzen“, sagt Furtwängler. „Andererseits füllt sie die Mutterrolle allein überhaupt nicht aus.“
Die Schauspielerin, die mit Ehemann Hubert Burda selbst zwei Kinder hat, kennt dieses Gefühl. „Keine Frage“, sagt sie, „das Schönste an meinem Leben sind die Kinder. Sich allein und ausschließlich nur um die Kinder zu kümmern, kam für mich aber ebenso wenig in Frage wie für Charlotte Lindholm.“ Hatte der letzte NDR-„Tatort“ mit Furtwängler noch so viel Wirbel verursacht, wie kaum einer zuvor – im Dezember demonstrierten 20 000 Aleviten, weil sie ihre Glaubensgemeinschaft durch das Inzest-Drama „Wem Ehre gebührt“ diskriminiert sahen – wird es diesmal wohl kaum Ärger geben.
Alles dreht sich um Kleingartenbesitzer
Wieder hat Angelina Maccarone das Buch geschrieben und Regie geführt. Doch diesmal dreht sich alles um Kleingartenbesitzer mit ihrem vermeintlichen Idyll und den gepflegten Gärten voller Gartenzwerge. Lindholm sucht so lange, bis sie Indizien für ein Verbrechen entdeckt – und endlich wieder mehr sein darf als nur die liebevolle Mutter. Furtwängler: „So unausgefüllt wie sie ist, fiebert sie geradezu danach, ihren kriminalistischen Spürsinn wieder zu aktivieren.“
„Wir erzählen, dass man Beruf und Familie sehr wohl verbinden kann“, sagt Furtwängler. Die Kommissarin sei in ihrem Job mit Kind mindestens genauso erfolgreich wie bisher. „Ich gehöre zu denen, die sich schon alleine gegen diesen Begriff der ,Rabenmutter’ wehren. Nur wir Deutschen reden von einer Rabenmutter, in anderen Ländern kennt man diesen Begriff gar nicht“, sagt sie. In Frankreich und Italien sei es beispielsweise ganz selbstverständlich, dass Frauen ein Jahr nach der Geburt wieder voll im Job sind. „Ich habe keine Ahnung, was richtig ist. Ich denke jede Frau muss das für sich selbst entscheiden, aber es ist sicher nicht zwingend nötig, dass eine Mutter ihre Kinder rund um die Uhr betreut – am besten bis sie die Grundschule hinter sich haben.“
Furtwänglers eigene Kinder sind 16 und 17 Jahre alt. Im ersten Moment sei sie beim Dreh deshalb „für einen winzigen Moment irritiert“ gewesen: „Wie ging das doch gleich mit dem Wickeln? Nach den ersten Handgriffen wusste ich es wieder, alles war noch abgespeichert“, sagt sie.
Wenn es die Ermittlungen erfordern, dann wagt sich Furtwängler alias Lindholm auch schon mal in ein schräges Kürbis- Kostüm. „Ich suche geradezu nach Situationen, in denen Charlotte Lindholm bereitwillig über ihre eigenen Geschmacksgrenzen springt, um sich per Mimikry direkt in das Leben der Leute hineinzubegeben“, sagt die Schauspielerin, die gerade die „Goldene Kamera“ als „Beste TV-Kommissarin“ bekommen hat. „Erntedank e. V.“ verwendet insgesamt viel Zeit auf die neue private Situation der Ermittlerin. Der nächste „Tatort“, verspricht Furtwängler, gehe dann eher in die Richtung eines Thrillers. „So schön die Kuschelphasen mit dem Baby sind, sie müssen auch mal wieder zu Ende gehen.“ ak