Bundestag bringt Organspendereform auf den Weg
Berlin - Deshalb sollen die Menschen in Deutschland ab Sommer erklären, ob sie ihre Organe nach dem Tod spenden. Alle fünf Fraktionen hatten sich Anfang des Monats nach jahrelangen Vorbereitungen auf diese Entscheidungslösung geeinigt. Politiker aller Parteien machten die Bedeutung der Reform mit persönlichen Erfahrungen bei Todesfällen deutlich.
"Es geht um Verantwortung", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag bei der Einbringung des gemeinsamen Gesetzentwurfs. "Und es geht um Verantwortung, die wir übernehmen für Menschen, die unserer Hilfe bedürfen. Aus dieser Verantwortung entsteht die Erwartung an uns alle, dass wir uns entscheiden."
Das Transplantationsgesetz soll die privaten und gesetzlichen Krankenkassen verpflichten, allen Versicherten über 16 Jahren Informationsmaterial und einen Spendeausweis zu schicken. "Ja, nein, später oder "Ich erkläre mich gar nicht" bleibt jedem überlassen", betonte der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU). Alle zwei Jahre soll die Aufforderung erneut geschickt werden.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte: "Es warten (...) etwa 12 000 Menschen auf ein Organ." Täglich sterben im Schnitt drei Menschen, die auf der Liste stehen. Die Menschen hofften darauf, "dass sie von der Dialyse wegkommen können (...) oder dass sie wieder Lebensperspektive haben", sagte Kauder.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: "Das Thema Organspende rührt an die Urangst der Menschen vor dem Tod." Eine Pflicht zur Beschäftigung mit dem Thema könne die Politik aber verlangen.
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi betonte, durch die Bereitschaft zur Spende werde man keinesfalls auf den Status eines "Ersatzteillagers" heruntergestuft. Mehrere Redner versicherten, eine Kommerzialisierung bei der Organspende werde es nicht geben.
Gysi verweis auf das Beispiel Steinmeiers, der als Lebendspender eine Niere an seine Frau abgegeben hatte. "Warum soll er nicht berechtigt sein, das Leben seiner Frau zu retten, die er liebt? Und warum soll sie nicht berechtigt sein, die Spende anzunehmen?"
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warb dafür, sich zu Lebzeiten mit der Frage zu befassen, was ist, "wenn man dem Tod näher als dem Leben ist, wenn nur noch Apparate dafür sorgen, dass der Körper nicht endgültig versagt". Diese Beschäftigung mit den eigenen Ende könne einen sehr belasten. "Man hält sich doch selbst für unkapputtbar - das ist ein Irrtum."
Trittin berichtete: "Ich habe vor einigen Jahren erlebt, dass meine Lebensgefährtin bei einem Fahrradunfall ums Leben kam. Ich musste in dieser Situation ihrer Tochter, ihren Eltern diese Nachricht überbringen, ihren besten Freundinnen." In einer solchen Situation wolle man den Willen zur Organspende nicht interpretieren müssen, sondern sei froh, wenn der Tote eine klare Botschaft darüber hinterlassen hat. Andere führen ähnliche Beispiele an.
Die Grünen-Politikerin Elisabeth Scharfenberg kündigte aus Datenschutzgründen einen Änderungsantrag an. Sie dringt auf den Verzicht auf eine geplante Regel, nach der die Krankenkassen die Entscheidung auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern oder löschen können. Dies soll mit Zustimmung der Versicherten geschehen können, wenn die Karte in rund fünf Jahren diese Daten technisch aufnehmen kann.
Birgitt Bender (Grüne) mahnte: "Hüten sollten wir uns vor Erfolgsmeldungen nach dem Motto: Jetzt wird alles besser. (...) Es wird auch weiterhin so sein, dass Menschen in der Wartezeit auf ein Organ sterben." Aufklärung solle es darüber geben, dass man sich im Fall einer Organspende vom betroffenen Angehörigen verabschieden muss, wenn er noch warm sei, vielleicht schwitze. "Das ist etwas anderes von einem erkalteten Leichnam."
In den Kliniken soll es künftig verpflichtend Beauftragte für Transplantationen geben. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) unterstrich, auch Lebendspenden würden erleichtert. "Derjenige, der sich für die Lebensspende entscheidet, darf keine Nachteile haben."