BRK-Präsident: Die Ellenbogenmentalität wird spürbarer
Der 70-Jährige Theo Zellner war CSU-Landrat in Cham und ist seit 2013 Präsident des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK).
AZ: Herr Zellner, das Bayerische Rote Kreuz hat gerade das Projekt "BRK der Zukunft" vom Herbst 2017 abgeschlossen. Wo sehen Sie künftig die größten Herausforderungen?
THEO ZELLNER: Der Mangel an Personal nagt auch an uns. Es ist kein Geheimnis, dass in der Gesellschaft immer mehr eine "Ellenbogenmentalität" spürbar wird – also, dass jeder an sich selbst denkt. Zudem kamen früher junge Menschen über den Zivildienst oder das Freiwillige Soziale Jahr, etwa im Rettungsdienst, mit dem Roten Kreuz in Berührung. Heute möchten sich Menschen weniger langfristig binden.
Es fehlt an Ehrenamtlern, auch beim BRK. Wie viele genau?
Allein in den kommenden zehn Jahren werden wir uns auf das altersbedingte Ausscheiden von mehr als zehntausend Ehrenamtlern einstellen müssen. Mir wurden mehrere Fälle zugetragen, bei denen die Nachbesetzung von ehrenamtlichen Führungskräften schon Monate beansprucht.
BRK: Koordination von Einsatzkräften über Apps geplant
Ähnlich schwierig ist es auch in der Pflege. Wie will das BRK hier Abhilfe schaffen?
Wir brauchen effizientere Prozesse und weniger Bürokratie. Es kann einfach nicht sein, dass allein die Anerkennung der Berufsausbildung einer ausländischen Pflegefachkraft mehr als zwölf Monate beansprucht. Auch die gesetzlichen Dokumentationsvorgaben behindern. Wenn Zeit am Bewohner effektiv verloren geht, nur weil man irgendwelche Standardmaßnahmen dokumentieren muss, dann läuft gewaltig was schief im System!
Eine Antwort könnte Digitalisierung sein.
Vieles lässt sich heute mit E-Learning machen. Wir möchten daher unsere Ausbildungen teilweise digitalisieren. Außerdem planen wir die digitale Alarmierung und die Koordination von Einsatzkräften über Apps auf dem Mobiltelefon.
"Deutschland ist auf große Krisenfälle nicht ausreichend vorbereitet"
Viele haben die Schneekatastrophe vom letzten Winter noch im Gedächtnis. Rechnet das BRK künftig mit weiteren Katastrophen dieser Art – und wie gut ist es vorbereitet?
Deutschland ist derzeit auf große Krisenfälle nicht ausreichend vorbereitet. Das gilt auch für Bayern, obwohl wir hier weiter sind als andere. Wir haben mit dem OEZ-Amoklauf, dem Sprengstoff-Anschlag in Ansbach und der Messerattacke in Würzburg bitterlich erfahren, dass Terror und Amok auch vor unserem Bundesland nicht halt machen, dazu kamen das Hochwasser von Rottal-Inn und die Schneekatastrophe. Wir schaffen deshalb mit bayerischen Hilfsorganisationen ein "Zentrum für besondere Einsatzlagen" in der Oberpfalz, das im Sommer eröffnet. Hier können Einsatzszenarien wie Terrorsituationen oder Unfälle mit vielen Verletzten realistisch dargestellt und geübt werden.
Wer finanziert das alles?
Wenn wir Ehrenamtler stellen, fordern wir vom Freistaat die Finanzierung der modernsten und effektivsten Ausstattung. Es kann nicht sein, dass unsere Leute etwa den LKW-Führerschein selbst bezahlen müssen. Das Geld ist da.
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