Breivik vor Gericht: Trotz Tränen gefühllos und kalt

Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik nutzt seinen Prozess als große Bühne. Er inszeniert seinen Auftritt mit eisiger Gleichgültigkeit – und schockiert gleichermaßen.
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Kühl und kalkulierend will er erscheinen: Seit Montagvormittag steht Massenmörder Anders Behring Breivik in Oslo vor Gericht. Obwohl er sich lange vorbereitet hat, habe er Angst gehabt vor einem Zusammenbruch, schreiben norwegische Zeitungen unter Berufung auf seine Psychiater. Vor Gericht bricht er dann auch in Tränen aus - sie sind ihm sichtlich unangenehm - denn sie könnten ihn menschlich machen, schwach erscheinen lassen.
AZ/ Heiko Junge, AP 23 Kühl und kalkulierend will er erscheinen: Seit Montagvormittag steht Massenmörder Anders Behring Breivik in Oslo vor Gericht. Obwohl er sich lange vorbereitet hat, habe er Angst gehabt vor einem Zusammenbruch, schreiben norwegische Zeitungen unter Berufung auf seine Psychiater. Vor Gericht bricht er dann auch in Tränen aus - sie sind ihm sichtlich unangenehm - denn sie könnten ihn menschlich machen, schwach erscheinen lassen.
"Es hat mich berührt, aber ich kann die Gefühle nicht Oberhand nehmen lassen", wird der 33-Jährige zitiert.
Heiko Junge, AP 23 "Es hat mich berührt, aber ich kann die Gefühle nicht Oberhand nehmen lassen", wird der 33-Jährige zitiert.
"Es hat mich berührt, aber ich kann die Gefühle nicht Oberhand nehmen lassen", wird der 33-Jährige zitiert.
Heiko Junge, AP 23 "Es hat mich berührt, aber ich kann die Gefühle nicht Oberhand nehmen lassen", wird der 33-Jährige zitiert.
"Es hat mich berührt, aber ich kann die Gefühle nicht Oberhand nehmen lassen", wird der 33-Jährige zitiert.
Heiko Junge, AP 23 "Es hat mich berührt, aber ich kann die Gefühle nicht Oberhand nehmen lassen", wird der 33-Jährige zitiert.
Von Reue keine Spur: Zum Prozessauftakt am Montagvormittag in Oslo markierte Massenmörder Anders Behring Breivik den starken Mann.
Heiko Junge, dpa 23 Von Reue keine Spur: Zum Prozessauftakt am Montagvormittag in Oslo markierte Massenmörder Anders Behring Breivik den starken Mann.
Er lächelte, als ihm die Handschellen abgenommen wurden...
Heiko Junge, dpa 23 Er lächelte, als ihm die Handschellen abgenommen wurden...
...und streckte kämpferisch die geballte Faust in die Luft.
Heiko Junge, dpa 23 ...und streckte kämpferisch die geballte Faust in die Luft.
Wie er schon zuvor verlauten hatte lassen, bereut er nicht, 77 Menschen umgebracht zu haben...
Heiko Junge, dpa 23 Wie er schon zuvor verlauten hatte lassen, bereut er nicht, 77 Menschen umgebracht zu haben...
...sondern lediglich, dass er nicht mehr Opfer erzielt hatte.
Heiko Junge, dpa 23 ...sondern lediglich, dass er nicht mehr Opfer erzielt hatte.
Im Gericht, dass Breivik nicht anerkennt, weil der norwegische Staat "Multikulturalismus" unterstützt, bestätigt der Massenmörder sein Geburtsdatum.
Heiko Junge, dpa 23 Im Gericht, dass Breivik nicht anerkennt, weil der norwegische Staat "Multikulturalismus" unterstützt, bestätigt der Massenmörder sein Geburtsdatum.
Der Prozess, der auf zehn Wochen angesetzt ist,...
Heiko Junge, dpa 23 Der Prozess, der auf zehn Wochen angesetzt ist,...
...wird sich vor allem um die Frage drehen,...
Hakon Mosvold Larsen, dpa 23 ...wird sich vor allem um die Frage drehen,...
...ob Breivik bei seiner Bluttat geistig zurechnungsfähig war.
Hakon Mosvold Larsen, dpa 23 ...ob Breivik bei seiner Bluttat geistig zurechnungsfähig war.
Psychologische Gutachter sitzen mit im Gericht.
Heiko Junge, dpa 23 Psychologische Gutachter sitzen mit im Gericht.
Jedoch stellt sich die Frage,...
Hakon Mosvold Larsen, dpa 23 Jedoch stellt sich die Frage,...
...ob es sinnvoll ist, dem bekennenden Islamhasser mit dem öffentlichen Prozess...
Hakon Mosvold Larsen, dpa 23 ...ob es sinnvoll ist, dem bekennenden Islamhasser mit dem öffentlichen Prozess...
...die größte nur vorstellbare Bühne zu bieten -  genau, wie er es wollte.
Frank Augstein, AP 23 ...die größte nur vorstellbare Bühne zu bieten - genau, wie er es wollte.
Denn seiner beispiellosen Tat vom 22. Juli 2011 folgt nun ein beispielloser Prozess:
Lise Aserud, dpa 23 Denn seiner beispiellosen Tat vom 22. Juli 2011 folgt nun ein beispielloser Prozess:
Rund 800 Journalisten aus aller Welt werden die Verhandlungen in Oslo zu einem Medienereignis der Extraklasse machen.
Berit Roald, dpa 23 Rund 800 Journalisten aus aller Welt werden die Verhandlungen in Oslo zu einem Medienereignis der Extraklasse machen.
Der norwegische TV-Sender NRK plant die ausführlichste Berichterstattung, die er je einem Thema gewidmet hat.
Morten Holm, dpa 23 Der norwegische TV-Sender NRK plant die ausführlichste Berichterstattung, die er je einem Thema gewidmet hat.
Das dürfte dem uneinsichtigen Fanaten Aufwind geben.  Im Bild: Der Polizeivan, mit dem Breivik zum Gericht gefahren wurde.
Berit Roald, AP 23 Das dürfte dem uneinsichtigen Fanaten Aufwind geben. Im Bild: Der Polizeivan, mit dem Breivik zum Gericht gefahren wurde.
Sie wird über sein Schicksal mitentscheiden: Richterin Wenche Arnzten.
Heiko Junge, dpa 23 Sie wird über sein Schicksal mitentscheiden: Richterin Wenche Arnzten.
Ebenfalls kein beneidenswerter Job: der von Staatsanwalt Sven Holden.
Heiko Junge, dpa 23 Ebenfalls kein beneidenswerter Job: der von Staatsanwalt Sven Holden.

Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik nutzt seinen Prozess als große Bühne. Er inszeniert seinen Auftritt mit eisiger Gleichgültigkeit – und schockiert gleichermaßen.

Oslo - Über das Gesicht des Massenmörders huscht immer wieder dieses irre Lächeln. Erhaben will er erscheinen, unnahbar, gefühlskalt. Anders Behring Breivik ist zufrieden mit sich und damit, 77 Menschen getötet zu haben. „Ich gebe die Taten zu“, sagt er fast gleichgültig vor Gericht. Kühl kalkulierend nutzt der Rechtsradikale den Prozess vom ersten Augenblick an als Bühne. Angehörige brechen innerlich zusammen.

Plötzlich weint auch der Massenmörder – bewegt von seiner eigenen grausamen Botschaft, doch ohne jede Reue. Diesen Moment hatte sich der 33-Jährige sicher lange ausgemalt: Als ihm die Handschellen abgenommen werden, schlägt er die rechte Faust vor die Brust, hebt den Arm fast wie zum Hitlergruß. Er sieht direkt in die Kameras. Wieder dieses Lächeln. Mit dem Prozess beginne die „Phase der Propaganda“, hatte Breivik in seinem Manifest geschrieben. Der Islamhasser will zum unvergessenen Mythos werden.

Seine unfassbaren Taten haben Norwegen im vergangenen Sommer den Atem genommen. Bei der Explosion einer gewaltigen Bombe im Osloer Regierungsviertel starben acht Menschen, Hunderte wurden verletzt. Dann das grausame Massaker auf der Ferieninsel Utøya, wo Breivik in einem sozialdemokratischen Ferienlager 69 Menschen tötete. Vielen der Jugendlichen schoss er direkt in den Kopf. Eine Straftat aber sei das alles nicht gewesen.

Kalt sagt Breivik am Montag vor Gericht: „Nicht schuldig“. Notwehr gibt er an – schließlich sei Norwegen von der Islamisierung bedroht. Breivik zeigt weder Respekt noch Reue. Gefühllos starrt er vor sich hin, als Staatsanwältin Inga Bejer Engh eine Stunde lang mit monotoner Stimmer detailliert von jedem seiner 77 Opfer berichtet. Ihre wenigen Worte schmerzen und zeigen Wirkung. Im Gerichtssaal fließen Tränen, die Angehörigen der Opfer umarmen sich, stützen sich gegenseitig.

Breivik dagegen wirkt ungerührt. Die Augen fast geschlossen, bewegt er sich kaum. Ab und an nur huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Das entgeht auch den Psychiatern nicht, die Breivik die gesamte Zeit über aufmerksam beobachten. Sie sollen helfen, die wohl wichtigste Frage des zehnwöchigen Prozesses zu beantworten: Ist der Attentäter geisteskrank? Zunächst sehen sie, wie der 33-Jährige respektlos sitzenbleibt, als die Richter den Raum betreten. Wie er das Gericht nicht anerkennt, weil es sein „Mandat von politischen Parteien erhalten hat, die Multikulturalismus unterstützen“.

Und sie sehen, wie der Massenmörder lächelnd einer Tonaufnahme zuhört, auf der ein Mädchen die Polizei nach Utøya ruft, während um sie herum Freunde sterben. Es ist der emotionalste Augenblick des Prozesses: „Kommt schnell, kommt schnell“, wispert das Mädchen auf der Aufnahme in Panik – Schüsse und Schreie im Hintergrund. Breivik atmet tief durch, reagiert sonst kaum. Um ihn herum wird die Schockstarre von leisem Weinen der Angehörigen durchbrochen.

Der Attentäter will kühl kalkulierend erscheinen. Schwingt bei den ersten Worten noch Nervosität mit, wirkt er später kontrolliert. Breivik hat sich lange vorbereitet – in den kommenden fünf Prozesstagen darf er selbst sprechen. Vor dem ersten Tag habe er Angst gehabt vor einem Zusammenbruch, schreiben norwegische Zeitungen unter Berufung auf seine Psychiater. „Es hat mich berührt, aber ich kann die Gefühle nicht Oberhand nehmen lassen“, wird der 33-Jährige zitiert.

Die Tränen vor Gericht waren ihm sichtlich unangenehm. Sie könnten ihn menschlich machen, schwach erscheinen lassen. Genau wie die Tonaufnahme seines Anrufes, mit dem er sich von Utøya aus bei der Polizei stellen wollte. Als er seine eigene Stimme hört, lächelt Breivik – diesmal jedoch, weil es ihm peinlich ist. 

 

 

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