Brandzeichen auf Kardinalshaut

Am 15. Mai startet "Illuminati" im Kino. Wie ist die neue Dan-Brown-Verfilmung? Mit Verschwörung und Kirchenkitsch soll der Erfolg des „Da Vinci Code“mit Tom Hanks wiederholt werden
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Tom Hanks und Ayalet Zurer spüren den Mysterien der Kirche nach
Thomas Gaulke Tom Hanks und Ayalet Zurer spüren den Mysterien der Kirche nach

MÜNCHEN - Am 15. Mai startet "Illuminati" im Kino. Wie ist die neue Dan-Brown-Verfilmung? Mit Verschwörung und Kirchenkitsch soll der Erfolg des „Da Vinci Code“mit Tom Hanks wiederholt werden

Brandzeichen werden auf die Haut eingekerkerter Kardinäle geglüht, galileischem Geheimwissen wird im Hochsicherheitstrakt vatikanischer Archive nachgespürt. Und mitten durch Rom verläuft ein unsichtbarer Pfad der Erkenntnis, verschlüsselt beschildert durch den Geheimbund der „Illuminaten“ (siehe unten), der – angeblich – Rache geschworen hat für jahrhundertelange Verfolgung der Wissenschaft durch die katholische Kirche.

Durch dieses Labyrinth, das in Schädel-Kryptas, in Fluchtstollen und bis in die Engelsburg führt, kämpft sich im Dienste der Aufklärung, jetzt paradoxerweise auf Seiten der bedrohten römischen Kurie: Professor Langdon alias Tom Hanks. Der ist seit „Forest Gump“ für jedermann die verlässlich gute Identifikationsfigur.

Eine Bombe für die Papstwahl

Diesmal hat der Weltverleih Sony Pictures die Cote d’Azur als Weltpremierenort gescheut wie der Teufel das Weihwasser, obwohl nächste Woche dort das Filmfestival startet. Aber der Cannes-Schock vom 17. Mai vor drei Jahren sitzt dem Filmverleih noch in den Knochen: Die Eröffnung des Filmfestivals mit dem „Da Vinci Code“ sollte der gefeierte Auftakt des Kino-Triumphzugs der 125-Millionen-Dollar-Produktion werden. Doch kaum hatte sich Tom Hanks im Palais du Festival beim Abspann winkend vom Sitz erhoben, tickerten die Journalisten Vernichtungen in ihre Redaktionen nach Hause. Feuilletonistisch war der Film erledigt, ehe er nur 36 Stunden später weltweit startete.

„Illuminati“ hatte jetzt seine Weltpremiere in Rom, wo die Geschichte um vatikanische Engel und Dämonen spielt: Der Papst ist ermordet, vier Papst-Anwärter entführt, eine Bombe soll die Papstwahl in die Luft sprengen.

Aber der Heilige Stuhl hatte der Produktion Steine in den Weg gelegt und Dreharbeiten in Roms Kirchen verboten: „Normalerweise lesen wir erst einmal das Drehbuch“, erklärte der Medienbeauftragte der römischen Diözese, Marco Fibbi: „Aber diesmal hat ein Name für das Verbot gereicht: Dan Brown.“

Der Vatikan sperrte alle Kirchen für die Film-Crew

Die Thriller des 44-jährigen amerikanischen Autors bilden im Kino eine Ausnahme: Als Film spielte das Werk – nicht wie üblich – die Hälfte seiner 760 Millionen Dollar in den USA ein, sondern nur ein Drittel. So könnte es auch mit „Illuminati“ gehen. Denn Browns Verschwörungs-Thriller sind eurozentrisch. Sie spielen mit europäischer Geschichte in den alten Kulturzentren wie Paris und Rom: Im „Da Vinci Code“ waren die Dunkelmänner von Opus Dei mit ihrer Vision von katholischen Gottesstaat im Visier. Diesmal dreht sich der Kampf scheinbar um: Von der aufklärerischen Erleuchter-Gruppe der Illuminaten soll terroristische Gefahr ausgehen.

Hat Dan Brown seine aufklärerische Mission verraten? Nein, denn dafür gibt es in der Geschichte eine viel zu überraschende Wende. Es war gut, dass die katholische Kirche das Drehbuch erst gar nicht gelesen haben will.

Dabei ist der Film sogar spannender Klerikal-Kitsch. Am Ende steigt weißer Rauch über dem Vatikan auf – und um ein Haar wäre ein Deutscher Papst geworden: Armin Mueller-Stahl als Kardinal Strauss – der gute konservative Hirte? Nein, man entscheidet sich für einen progressiven Kandidaten, der endlich Wissenschaft und Religion versöhnen soll. Eine nette Dan-Brown-Utopie.

Der Harvard-Professor im Bann des Glaubens

Am Ende scheint sogar Harvard-Professor Langdon selbst in den Bann des Glaubens zu geraten. Aber im nächsten Moment ermuntert er doch die italienische Wissenschaftlerin und seine Abenteuer-Gefährtin (Ayelet Zurer), weiter zu essen vom Baum der Erkenntnis.

Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone erklärte vor drei Jahren zum „Da Vinci Code“: „Den Film zu boykottieren, ist wohl das Mindeste, was man tun kann.“ Diesmal ist Dan Brown versöhnlicher mit der römischen Kirche umgegangen.

Adrian Prechtel

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