Bräune aus dem Handy?

Das Mobiltelefon als Solarium, Lügendetektor und Föhn: Mit welchen Tricks Jugendliche von Jamba und Co. um ihr Taschengeld gebracht werden
Warst du schon wieder im Urlaub?“ – „Nein, ich hab’ bloß telefoniert.“ Zugegeben: Ein etwas verstrahlter Dialog. Es sei denn, die „technische Revolution“, die der Klingeltonkonzern Jojo FM zurzeit im Fernsehen ausruft, wird irgendwann Wirklichkeit.
„Gleichmäßige Bräune durch UVF-Strahlen aus dem Handy“, heißt es im Werbespot, der vor allem in Kinder- und Jugendprogrammen läuft. Wie das geht? Angeblich ganz einfach: Um sein Mobiltelefon zum Solarium aufzurüsten, soll man lediglich eine SMS mit „A10“ an eine vierstellige Nummer senden. Kosten: fünf Euro. Wirkung: natürlich null.
Und wer die Werbung aufnimmt, auf Standbild schaltet und eine Scharfschützenausbildung bei der Bundeswehr absolviert hat, kann sogar unten links des Rätsels Lösung entziffern: „Fun-Applikation“ steht da zur rechtlichen Absicherung des Anbieters. Im Klartext: Bringt nix.
190 Millionen Euro für Nonsens
Und läuft trotzdem super. Die „Fun-Applikationen“ machen inzwischen sogar den Klingeltönen Konkurrenz und bescheren einschlägigen Firmen die größten Gewinne, kosten sie doch meist zwischen fünf und zehn Euro. Wer draufzahlt, sind vor allem Jugendliche, die hierzulande jährlich 190 Millionen Euro für Nonsens wie den „Lügendetektor“ verpulvern, der „mit hochwertigen Stimmenanalysen“ jede noch so kleine Unwahrheit entlarven soll. Slogan: „Lass dich nicht mehr verarschen“.
Das erledigen die Anbieter nämlich schon selbst. Auch hier weist lediglich eine amöbengroße Einblendung (weiß auf beigem Grund – und juristische Grauzone) auf die Unwirksamkeit des Produktes hin. Jenen leichtgläubigen Teenagern, deren Beziehungen tränenreich endeten, weil der „Lügendetektor“ per Zufallsgenerator angeschlagen hat, hilft das freilich wenig.
Wer will, kann sich dafür zur Entspannung mit seinem Handy die Haare fönen, die Nägel feilen oder staubsaugen – rund zwei Euro kostet das passende Geräusch auf handy.de. Dass das nicht klappen kann, dürfte wohl jedem klar sein.
Irreführender ist dagegen schon die Reklame für den „Partner-Tracker“ von Marktführer Jamba. „Zeige deinen Freunden, wo ihre Partner sind und was sie im Moment wirklich tun! Einfach die Nummer eingeben, tracken und schon zeigt es dir dein Handy“, wird da behauptet – in Anspielung auf eine Technologie, die es sogar wirklich gibt. Nicht aber bei Jamba, das im Kleingedruckten seiner Internetseite einräumt: „Es findet keine echte Aufenthaltsortsbestimmung statt.“
„Gleichmäßiger Abbau von Gehirnzellen"
Lauter mobile Mogelpackungen also – kein Wunder, dass die Verbraucherzentralen vor Empörung vibrieren. „Irreführung“ sei das und „brandgefährlich“. Besorgte Eltern können sich an die Beratungsstellen wenden, die Tipps (siehe unten) parat haben, wie man sich gegen Handy-Solarien und Co. schützen kann.
Ein Lichtblick: Im Internet wird die mobile Sonnenbank nicht sehr ernst genommen. „Gleichmäßiger Abbau von Gehirnzellen durch Handywerbung aus dem Fernsehen“, paraphrasiert etwa „Günni74“ gekonnt den Werbeslogan in einem Forum. Und Bloggerin „Pixella Panik“ schlägt vor: „Wie wäre es mit einem Handy-Gehirn?“
Die AZ will vor allem wissen, für was das ominöse "F“ in der wissenschaftlich noch gänzlich unbekannten „UVF-Strahlung“ steht – erhält vom Essener Entwickler Jojo FM aber keine Reaktion auf eine schriftliche Anfrage. So müssen wir leider spekulieren: Für „Fun“ zum Beispiel? Für „frei erfunden“? Oder für „Ferarschung“?
Timo Lokoschat
PS: Inzwischen hat Jojo FM geantwortet. Die Firma möchte nicht verraten, was „UVF-Strahlen" sind, da „Produkt-Konzepte vom Wettbewerb leider sehr schnell kopiert" würden.
Was Experten raten
* Verbraucherschützer empfehlen für Jugendliche Mobiltelefone mit Prepaid-Karte. Dabei kann in der Regel nur das darauf vorhandene Guthaben ausgegeben werden.
* Klingeltöne und andere Produkte sollten nicht über das Fernsehen bestellt werden. Meist hat man dort nur wenige Sekunden Zeit, sich die Vertragsbedingungen durchzulesen.
* Transparenter sind die Konditionen auf den Seiten des Handy-Providers, zum Beispiel auf o2online.de.
* Keine „Spar-Abos" abschließen. Sie sind undurchsichtig und verlängern sich automatisch.
* Aboverträge, die von Minderjährigen abgeschlossen wurden, gelten rechtlich als unwirksam. Eltern können an den Anbieter schreiben - und das Geld zurückfordern oder die Abbuchung stoppen lassen.