Boom-Zeiten für die Lederhosn
München - Ist die Lederhosn für einen Bayern, was für den Amerikaner der Cowboyhut ist? Ja, meint die britische Wochenzeitung „The Economist“ und hat hierzulande den „Lederhosen Boom“ ausgerufen. Vor Jahrzehnten wurde das lederne Beinkleid noch als spießige Mode für Altbackene abgetan. Mittlerweile hat sich – Oktoberfest hin oder her – mit der Lederhosn ein Millionengeschäft entwickelt. Besonders weil sie bei Jüngeren als cool gilt.
„Gerade die jüngere Käuferschicht hat die Lederhosn entdeckt. Früher war das ein ’No- Go’. Heute wird sie bei Events, Partys oder bei Hochzeiten getragen“, sagt Eileen Krajewski von „Trachten Angermaier“ in München. Den Trend zur Krachledernen hat sie aber schon lange ausgemacht. „Vor zehn Jahren ging es damit los. Und das steigert sich immer mehr.“ Krajewski muss es wissen, denn „Angermaier“ bringt außer in München über fünf deutschlandweite Filialen Lederhosn an die Männer – und neuerdings auch an Frauen. Darunter auch im hippen Berlin, das nicht gerade für seine Bayern-Liebe bekannt ist.
Auch die Billig-Händler sind auf den Trend aufgesprungen. Am Münchner Hauptbahnhof gibt es Lederhosn to go. Und zwar in Firat Aticis Standerl zwischen den Gleisen und der Anzeigetafel, eingerahmt von Vinzenz Murr und „Brioche Doree“. Blondbezopfte Schaufensterpuppen stellen rosa Dirndl zur Schau. Im Angebot: 99 Euro durchgestrichen, jetzt 49,99 Euro. Die feschen Männerfiguren tragen buntkarierte Hemden zu ihren Wildleder-Kniebundhosen, jetzt günstig: 89,99 Euro. Als Shorts sind sie noch billiger. Wie günstig ist es erst nach der Wiesn, fragt man sich, aber ob es das Standerl mit den beiden an die Rückwand geschraubten Anprobe-Vorhängen dann überhaupt noch gibt? Die Kundschaft kommt aus aller Herren Länder, und wenigstens ein Sepperl-Hut muss mit.
Wie viel mit Lederhosn, Dirndl und Co. verdient wird, darüber gibt es laut Bernd Ohlmann, Geschäftsführer vom Handelsverband Bayern keine Zahlen. Ein Blick ins Nachbarland Österreich zeigt: Dort wurden mit Trachten 2012 rund 255 Millionen Euro umgesetzt. 2010 waren es noch rund 130 Millionen. Dabei legten die Zahlen für Männer und Frauen gleichermaßen zu. „Dass die Lederhosn kein Nischenprodukt mehr ist, das ist klar“, sagt Ohlman. Da werde mittlerweile alles bedient: „Wenn jemand eine pinke haben will, dann machen wir das. Da gibt es mittlerweile Sachen, bei denen würde sich Karl Valentin im Grabe rumdrehen.“ Billighosen kosten unter 100 Euro und kommen meist aus Pakistan, Indien oder Sri Lanka. Für eine aufwändig bestickte Hirschlederne können schon mal 2500 Euro fällig werden.
Der Trend geht ohnehin schon zur Zweit- und Dritt-Hose. Eileen Krajewski: „Ich habe Kunden, die kommen jedes Jahr wieder.“ Hochsaison ist für sie natürlich die Zeit vor dem Oktoberfest – doch gefragt sind Lederhosn inzwischen über das ganze Jahr. Das kultige Beinkleid taugt für die Modeexperten mittlerweile zunehmend als Ersatz für die altbekannte Jeans. Und warum stehen immer mehr Menschen auf Lederhosn? Damit könne man prima seinen Patriotismus zeigen – ohne gleich als nationalistisch zu gelten, mutmaßt „The Economist“. Also der Kilt für die Schotten und die Lederhosn für die Bayern? Eileen Krajewski sieht das alles viel einfacher: „Lederhosn stärken einfach das Gefühl der Zusammengehörigkeit“, so die Fachfrau.
Wer extra hip sein möchte, trägt seine Lederhosn übrigens nicht nur am Bein, sondern auch in der Tasche. Denn im Internet gibt es schon Lederhosn-Schutzhüllen für Smartphones und iPads.