Blutbad an Schule: Amokläufer tötet 15 Menschen

Drama in Baden-Württemberg: Der 17-jährige Amokläufer Tim K. hat am Mittwoch in der Albertville-Realschule in Winnenden und in einem Einkaufsmarkt in Wendlingen insgesamt 15 Menschen getötet. Anschließend erschoss er sich bei einem Schusswechsel mit der Polizei.
von  Abendzeitung
Schüler werden am Mittwoch (11.03.2009) in Winnenden aus dem Schulzentrum, in dem sich die Albertville-Realschule, in der ein Amoklauf stattfand, evakuiert.
Schüler werden am Mittwoch (11.03.2009) in Winnenden aus dem Schulzentrum, in dem sich die Albertville-Realschule, in der ein Amoklauf stattfand, evakuiert. © dpa

STUTTGART - Drama in Baden-Württemberg: Der 17-jährige Amokläufer Tim K. hat am Mittwoch in der Albertville-Realschule in Winnenden und in einem Einkaufsmarkt in Wendlingen insgesamt 15 Menschen getötet. Anschließend erschoss er sich bei einem Schusswechsel mit der Polizei.

Schwarz gekleidet stürmte der Amokläufer gegen 9.30 Uhr die Albertville-Realschule. Sofort eröffnete er das Feuer, schoss wild um sich. Tim K. tötete neun Schüler und drei Lehrerinnen. Die getötete Schüler waren 14 bis 15 Jahre alt

Danach flüchtete der Amokschütze und tötete als 13. Opfer einen Beschäftigten einer nahe gelegenen psychiatrischen Klinik. „Ich habe sechs bis sieben Schüsse gehört. Ich darf meine Station nicht mehr verlassen“, berichtete eine Mitarbeiterin der Psychiatrie.

Tödlicher Schusswechsel

Anschließend flüchtete Tim K. mit einem Fahrzeug in ein Einkaufszentrum nach Wendlingen im Kreis Esslingen. Dort erschoss er zwei weitere Passanten und verletzte zwei Polizisten schwer. Die Polizei traf den Jugendlichen bei einem Schusswechsel schließlich tödlich.

„Völlig unauffälliger“ Junge

Nach Angaben von Kultusminister Helmut Rau (CDU) handelte es sich bei dem 17-Jährigen um einen nach außen „völlig unauffälligen“ ehemaligen Schüler der Albertville-Realschule. Er habe die Schule im vergangenen Jahr mit Mittlerer Reife abgeschlossen und danach eine Ausbildung begonnen. Der Jugendliche sei „nie in irgendeiner Form“ auffällig geworden, betonte Rau. Offensichtlich habe er eine „doppelte Identität“ gehabt.

„Ein schreckliches Bild“

Der erste Notruf ging gegen 9.33 Uhr bei der Polizei ein. Sofort seien zwei Interventionsteams zur Schule geschickt worden. Den Beamten habe sich dort „ein schreckliches Bild“ geboten. Landespolizeipräsident Erwin Hetger sagte: „Es war ein Amoklauf in Reinkultur. Er ist mit einer Waffe in die Schule rein und hat dann das Blutbad angerichtet. So etwas habe ich noch nie erlebt.“

Der Täter selbst sei bereits flüchtig gewesen, als die Polizei ankam. Rech sprach von einem „sehr dynamischen Tatgeschehen“. Man befinde sich erst „am Anfang der Ermittlungen“.

Augenzeugen berichteten von Schüssen und Schreien

Augenzeugen berichteten von Schüssen und Schreien. Eine Schülerin sagte, sie habe zunächst an einen üblen Scherz gedacht. Dann habe sie gesehen, wie andere aus dem Fenster gesprungen seien. Dann sei sie auch losgerannt. Besorgte Eltern und verstörte Schüler waren noch vor Ort. Das Schulzentrum im Rems-Murr-Kreis wurde weiträumig abgesperrt, Hubschrauber kreisten in der Luft.

Aus dem Regierungspräsidium Stuttgart verlautete, alle greifbaren Schulpsychologen würden zusammengezogen und nach Winnenden geschickt, um die veränstigten Schüler zu betreuen.

Aus Waffenarsenal des Vaters bedient?

Der 17-jährige Todesschütze von Winnenden hat sich nach Informationen von Tagesspiegel.de aus dem Waffenarsenal seines Vaters bedient. "Das war ungesichert", sagte ein Sicherheitsexerte. Der Täter namens Tim K. habe mit einer Schusswaffe der italienischen Marke Beretta auf die Opfer gefeuert.

Der Hintergrund der Tat sei bislang nicht zu erkennen. Es gebe keine Hinweise auf ein rechtsextremes Motiv, auch der als Waffennarr geltende Vater sei nicht als Rechtsextremist aufgefallen. "Wir können aber derzeit nichts ausschließen", hieß es in Sicherheitskreisen. Klarheit werde es erst geben, wenn die Wohnräume der Familie durchsucht sind. Im Rems-Murr-Kreis, in dem Winnenden liegt, gibt es seit Jahren Probleme mit der rechtsextremen Szene.

Stadt Erfurt bietet Winnenden nach Amoklauf Hilfe an

Nach dem Amoklauf in Baden-Württemberg hat die Stadt Erfurt ihre Hilfe angeboten. „Wir haben krisenerfahrene Leute, die in dieser schlimmen Situation helfen können“, sagte Bürgermeisterin Tamara Thierbach (Linke) am Mittwoch auf ddp-Anfrage. Sie habe den Städten Stuttgart und Winnenden die Entsendung eines vierköpfigen Teams vorschlagen, das bei der Schulorganisation, der Versorgung der Opfer und der Koordination mit Spezialdiensten unterstützen könne.

Im Erfurter Gutenberg-Gymnasium hatte ein Schüler im April 2002 bei einem Amoklauf insgesamt 16 Menschen getötet und sich anschließend selbst erschossen. Thierbach sagte, mit dem Amoklauf von Winnenden am Mittwoch kämen alle Erinnerungen an die Erfurter Bluttat wieder hoch. „Dennoch darf man vor diesem furchtbaren Amok nicht erstarren“, sagte Thierbach.

Nach dem Amoklauf von Winnenden hat das Regierungspräsidium Stuttgart eine Krisenhotline für Lehrer, Schüler und Angehörige eingerichtet. Unter der Telefonnummer 0711-90440149 stehen vier Schulpsychologen des Kriseninterventionsteams zur Verfügung. Das Team ist nach Angaben von Regierungspräsident Johannes Schmalzl zudem mit zahlreichen Kräften vor Ort in Winnenden. Darüber hinaus würden auch an den benachbarten Schulen und Gemeinden Beratungsgespräche geführt. Dafür kommen laut Schmalzl Psychologen aus ganz Baden-Württemberg zum Einsatz. (rh/dpa/ap)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.