Blindenführhunde: Schläge in der Ausbildung
Blindenführhunde sind staatlich anerkannte Hilfsmittel für Menschen mit Sehbehinderung. Doch der Beruf des Führhundtrainers ist nicht geschützt. Das sorgt für Probleme.
München - Sie sind Hochleistungssportler, tägliche Begleiter und für viele Menschen mit Sehbehinderung unerlässlich: Blindenführhunde werden seit etwa 100 Jahren ausgebildet und vermittelt. Ursprünglich waren sie als Entschädigung für Menschen gedacht, die nach dem Krieg ihr Augenlicht verloren hatten. Mittlerweile sind sie als Hilfsmittel für Sehbehinderte anerkannt und die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Patienten mit unter 5 Prozent Sehkraft. Um den Bedarf zu decken, gibt es Führhundschulen, die im Idealfall geeignete Hunde an die Kassen abgeben. In manchen Fällen könnte das aber Glückssache sein: die Ausbildung zum Führhundtrainer ist nicht staatlich anerkannt und kann in Deutschland nirgendwo offiziell erlernt werden.
Im Grunde darf also jeder Blindenhunde trainieren, der will. Dass das zu Komplikationen führen kann, weiß Tatjana Rusch, Tierärztin in Stelle (Landkreis Harburg) und Prüferin für Blindenführhundgespanne. Schon bei der Auswahl der Hunde gehe es los: Viele erfüllten weder die körperlichen noch die geistigen Voraussetzungen. Doch selbst bei geeigneten Hunden sei die Ausbildung in vielen Fällen fehlerhaft. So werde immer noch viel zu oft mit Negativverknüpfungen gearbeitet, also mit Schlägen und Bestrafung statt mit positiver Bestärkung.
Dass sich im Bereich der Führhundausbildung Fehler einschleichen können, bestätigt der Deutsche Blinden-und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV). Trotz der vom GKV-Spitzenverband festgelegten Kriterien (siehe Kasten) gebe es potenzielle Fehlerquellen bei der Auswahl und Ausbildung des Hundes, aber auch im Umgang des Hundehalters, der möglicherweise zu wenig Einweisungen erhalten hat. Der richtige Umgang zwischen Hund und Herrchen wird bei einem Einarbeitungslehrgang trainiert und anschließend bei der sogenannten „Gespannprüfung“ festgestellt. Der Lehrgang soll laut GKV 14 bis 28 Tage dauern. Rusch befürchtet jedoch, dass Führhundschulen bemüht sind, ihre Hunde so schnell wie möglich abzugeben, weil sie „immer noch mindestens 10 weitere Hunde auf Halde haben“. Schließlich ist das Gewerbe durchaus profitabel: Ein Blindenführhund kostet bis zu 20 000 Euro.
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Das verleite viele dazu, lediglich den Profit zu sehen. Hunde würden billig aus dem Ausland gekauft, Ausbilder von Polizeihunden wechselten die Profession aus Geldgier, obwohl sie nicht die nötigen Qualifikationen besäßen. Tatsächlich bestätigt der DBSV, dass Führhundtrainer früher oftmals Polizeihunde ausgebildet haben und der Bereich der Blinden-und Sehhundpädagogik oft zu kurz kommt. Da der Beruf kein geschützter Ausbildungsberuf ist, seien Einsteiger meist darauf angewiesen, tradiertes Wissen von erfahrenen Hundeführern zu erhalten und diese zu begleiten. Im Ausland gebe es dagegen Curriculen und Ausbildungen, in England sei die Führhundausbildung an zwei Universitäten sogar an einen Studiengang angelehnt, in Frankreich und der Schweiz gebe es Zertifizierungsprüfungen.
Wenn es bereits in der Ausbildung zu Fehlern kommt, können viele Führhundhalter ihre Blindenhunde nicht als Hilfsmittel nutzen. Zudem ist das Risiko hoch, dass dem Halter etwas passiert. Die Techniker Krankenkasse Bayern kann jedoch nicht bestätigen, dass solche Fälle gehäuft auftreten. In den letzten Jahren habe es lediglich ein oder zwei Beschwerden gegeben, bei denen eine gesundheitliche Verschlechterung des Hundehalters der Anlass gewesen sei. Der Verband der Ersatzkassen Bayern schließt mit den Führhundschulen einen Vertrag, nach dessen Richtlinien die Schule handeln muss. Zwar könne man die Schulen nicht direkt kontrollieren, sollte es jedoch über eine bestimmte Schule immer wieder Beschwerden geben, würde man den Vertrag auflösen.
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In einem sind sich aber alle einig: Führhundtrainer sollte ein anerkannter Ausbildungsberuf werden. Nur so können Standards festgelegt werden, die allgemeine Gültigkeit haben. Der GKV sieht hier auch das Ministerium für Wirtschaft und Energie in der Pflicht, entsprechende Bedingungen zu schaffen, um „schwarzen Schafen“ in der Branche keine Chance zu geben.
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