Blinde Barbie: Spielwarenhersteller setzen auf Inklusion und Diversität

Eine blinde Barbie, eine schwarze Puppe und verschiedene hautfarbene Stifte – Immer mehr Hersteller achten bei ihren Produkten darauf, die gesamte Bevölkerung darzustellen. Doch gebe es immer noch "Luft nach oben", meint eine Expertin.
von  Leonie Fuchs
Die neue Barbie von Spielzeughersteller Mattel ist blind.
Die neue Barbie von Spielzeughersteller Mattel ist blind. © Mattel

Nürnberg – Die erste Barbie ist vor 65 Jahren auf den Markt gekommen. Sie ist blond und weiß. Seitdem wird kritisiert, die Puppe verkörpere ein unrealistisches Körperbild. Um ein breiteres Abbild der Gesellschaft zu zeigen, hat der Spielzeughersteller Mattel kürzlich eine Barbie-Puppe mit Sehbehinderung auf den Markt gebracht. Setzt Mattel damit einen Trend in Sachen Inklusion und Diversität bei Spielsachen?

"Ja", sagt Karin Falkenberg, Leiterin des Spielzeugmuseums in Nürnberg, in dem aktuell eine Ausstellung über rassistisches Spielzeug gezeigt wird. "Das ist ein brandaktueller Trend, der jedoch nicht riesengroß werden wird", sagt Falkenberg der AZ. Denn er betreffe eben nicht die Mehrheit der Bevölkerung.

Spielen ist eine anthropologische Konstante

Dennoch sei der Wandel in Richtung Diversität und Inklusion in der Spielwarenindustrie vor allem auch von der Bevölkerung gewollt, meint die Museumsleitung – nicht nur von den Herstellern. "Inklusion, Diversität, Sensibilität und Anti-Rassismus tun der Gesellschaft gut. Wir merken immer mehr, dass wir uns gegenseitig brauchen", sagt Falkenberg.

Vom Spielen her selbst sei Inklusion kein neues Thema. "Historisch gesehen ahmen Kinder beim Spielen schon immer ihre Umwelt nach – Spielen ist eine anthropologische Konstante. Wir spielen schon immer, nur die Art und Weise ändert sich", so Falkenberg. Eine Trend-Wende in der Produktion sei demnach verstärkt seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 erkennbar.

Olaolu Fajembola ist eine der beiden Gründerinnen des Online-Shops Tebalou (www.tebalou.shop). Er ist als Plattform gedacht, auf der Spielsachen und Bücher zu finden sind, die "diversitätssensibel und empowernd" sind, so Fajembola zur AZ. Sie stellt in der Entwicklung von Spielwaren einen "antirassistischen Hype" um 2020 bis 2022 fest und begründet den Peak mit dem Mord an George Floyd und der globalen Black-Lives-Matter-Bewegung.

Museumsleiterin: "90 Prozent aller Puppen sind weiß"

Seitdem habe die Bereitschaft, auf Diversität in Kindermedien zu achten, wieder nachgelassen. Auch in Sachen Inklusion hinke die Industrie hinterher. "Leider gibt es viel Luft nach oben." Trotz eines wachsenden Trends seien inklusives Spielmaterial und Produkte, bei denen auf Diversität geachtet wird, noch extrem selten, meint auch Falkenberg. "90 Prozent aller Puppen sind immer noch weiß, nur zehn Prozent schwarz. In der Realität ist es ganz anders. Ähnlich ist es mit Inklusion."

Derartige Produkte für ihren Online-Shop müssen Fajembola und ihre Mitstreiterin Tebogo Nimindé-Dundadengar "mühevoll recherchieren". Doch gebe es sie bereits vereinzelt – sogar bei den großen Spielzeugherstellern. Lego und Playmobil achten demnach seit einigen Jahren auf Diversität. "Vor allem kleine Spielzeugproduzenten machen uns Hoffnung." Die Puppen von Little Ashé aus Hamburg etwa bieten schwarze Puppen an, auch das Kartenspiel "Schlauer Peter" (früher "Schwarzer Peter") ist im Shop zu finden oder Wachsmalstifte mit acht Hautfarben.

Ein Mädchen mit einer Little Ashé-Puppe.
Ein Mädchen mit einer Little Ashé-Puppe. © Little Ashé

Immer mehr Spielzeuge werden entwickelt, die Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen fördern

Auch Christian Ulrich, Sprecher des Vorstandes der Spielwarenmesse in Nürnberg, teilt auf AZ-Anfrage mit, dass das Angebot an inklusiven und diversen Spielsachen auf der Messe in den letzten Jahren gewachsen und vielfältiger geworden ist.

Immer mehr Spielwaren werden demnach dort gezeigt, die Kinder für Toleranz, Inklusion und Diversität sensibilisieren: "Etwa Spielfiguren mit verschiedenen Hautfarben, Puppen mit Down-Syndrom, Hör- oder Beinprothesen, Memoryspiele, welche die Bedeutung von Patchwork- und Regenbogenfamilien kindgerecht vermitteln."

Zudem würden Hersteller immer mehr Spielzeuge entwickeln, die Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen fördern. So gebe es zum Beispiel Brettspiele, die über besonders geformte Spielsteine oder Karten mit Brailleschrift verfügen.

Die blinde Barbie hilft, sich mit Inklusion auseinander zu setzen

Doch werden die neuen Produkte auch gekauft? Die breite Bevölkerung kaufe leider immer noch eher das Spielzeug, welches ein vermeintliches Idealbild widerspiegelt, so Falkenberg. Doch würden sich immer mehr Menschen das Abbild der gesamten Bevölkerung wünschen. Bei Personen, die Inklusionsbedarf haben, kämen die neuen Spielwaren wiederum gut an.

Mattel habe mit ihrer ersten blinden Barbie insgesamt ein wichtiges Signal an die Spielzeugindustrie gesendet, so Fajembola. Denn Repräsentation und Sichtbarkeit seien wichtig: für Kinder ohne Behinderung, um sich mit dem Thema Behinderungen und Beeinträchtigungen auseinanderzusetzen. "Für Kinder mit Behinderung(en) bedeutet Repräsentation ganz konkret, sich als relevant und existent zu fühlen, zu erkennen, dass sie wertgeschätzt werden."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.