Birmas Militärjunta lässt Aung San Suu Kyi frei
RANGUN - Mit einer Blume im Haar und jugendlichem Lächeln trat Aung San Suu Kyi vor ihre Sympathisanten. Nach jahrelangem Hausarrest ließ Birmas Militärjunta die Friedensnobelpreisträgerin frei. Doch tausende andere Regimegegner sitzen weiterhin in Haft.
Unter dem Jubel tausender Anhänger ist Birmas Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aus jahrelangem Hausarrest freigelassen worden. Die 65-jährige Oppositionsführerin zeigte sich am Samstag vor ihrem Haus in der Hafenstadt Rangun, das siebeneinhalb Jahre ihr Gefängnis war. «Wie schön, euch alle zu sehen!» rief sie strahlend und winkte der begeisterten Menge. Die Dissidentin ist seit einem Studentenaufstand 1988 politisch aktiv und fordert Demokratie für das seit 1962 vom Militär regierte Birma. Die Generäle hielt sie insgesamt 15 der vergangenen fast 21 Jahre eingesperrt.
Menschenrechtler erklärten, die Freilassung sei kein Gnadenakt der Militärmachthaber. Vielmehr habe Suu Kyi ihre nach einem unfairen Prozess verhängte Strafe abgesessen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), US-Präsident Barack Obama, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und andere westliche Politiker forderten das Regime auf, nun auch die mehr als 2000 weiteren politischen Gefangenen freizulassen. Suu Kyi zeigte sich zurück in der Freiheit kämpferisch: «Wir müssen zusammenarbeiten, um unsere Ziele zu erreichen», forderte sie ihre Anhänger auf.
Suu Kyi wurde für den gewaltlosen Widerstand gegen das Militärregime 1991 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Ihre Partei hatte ein Jahr zuvor die Wahlen haushoch gewonnen, doch weigerte sich die Junta, das Ergebnis anzuerkennen. Bei den Wahlen Anfang November, dem ersten Urnengang seit zwei Jahrzehnten, hatte Suu Kyi zum Wahlboykott aufgerufen.
«Lang lebe Suu Kyi!» riefen am Samstag ihre teils in Tränen aufgelösten Unterstützer. Suu Kyi kündigte an, sich am Sonntag in der Parteizentrale ausführlicher zu äußern. In lila Bluse und mit ihrem Markenzeichen, einer frischen Blüte im Haar, ließ sie sich die jahrelange Tortur der Isolation nicht anmerken. Im Dämmerlicht und angestrahlt von den Blitzlichtern hunderter Kameras lachte sie ohne Unterlass.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erleichtert über die Nachrichten aus Birma. «Aung San Suu Kyi ist eine Symbolfigur für den weltweiten Kampf für die Verwirklichung der Menschenrechte. Ihre Gewaltlosigkeit und Unnachgiebigkeit haben sie zu einem bewunderten Vorbild werden lassen», erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Angaben ihres Sprechers.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte die Erwartung, dass sich Suu Kyi weiter für mehr Demokratie in ihrem Land einsetzen wird. «Ihr kommt auch künftig eine zentrale Rolle zu auf dem notwendigen Weg zu nationaler Versöhnung und Demokratie», sagte Westerwelle nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin.
US-Präsident Obama kritisierte, die Opposition des Landes sei systematisch geknebelt, eingesperrt und jeder Gelegenheit beraubt worden, an einem politischen Prozess teilzunehmen, der Birma verändern könnte. Umso bewundernswerter sei der Mut der nun freigelassenen Regimegegnerin. «Sie ist eine Heldin für mich und eine Quelle der Inspiration für alle, die sich für grundlegende Menschenrechte in Birma und überall auf der Welt einsetzen», erklärte Obama am Samstag.
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte Freiheit für alle politischen Gefangenen in Birma. Ohne eine freie Beteiligung aller Bürger am politischen Leben könne es keine Demokratie und nationale Versöhnung geben, erklärte Ban am Samstag in New York. Die Vereinten Nationen würden Birma auf diesem Weg unterstützen, aber auch die Einhaltung der Menschenrechte immer wieder fordern.
Der britische Premierminister David Cameron zeigte sich «hocherfreut» über die Freilassung. «Aung San Suu Kyi ist eine Inspiration für alle von uns, die an freie Meinungsäußerung, Demokratie und Menschenrechte glauben», sagte Cameron in London. Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy begrüßte die Freilassung. Er warnte aber vor erneuten Einschränkungen bei der Bewegungs- und Meinungsfreiheit für die Nobelpreisträgerin.
Sechs Nobelpreisträgerinnen kündigten am Samstag in Ottawa an, möglichst schnell ihre birmanische Kollegin besuchen zu wollen. «Wir hoffen, dass wir bald die Möglichkeit haben, unsere Schwester persönlich zu treffen», heißt es in der Erklärung, die von den Betty Williams und Mairead Maguire aus Irland (Friedensnobelpreis 1976), Rigoberta Menchu Tum aus Guatemala (1992), Jody Williams aus den USA (1997), die Iranerin Shirin Ebadi (2003) und Wangari Maathai aus Kenia (2004) unterzeichnet wurde. «Trotz der Bemühungen des Regimes, dem Volk die Führung durch Aung San Suu Kyi vorzuenthalten, haben ihre Stärke, ihr Weitblick und ihre Überzeugung die Menschen in den Kampf für Recht und Demokratie geführt.»
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International rief dazu auf, nach der Freilassung der Regimegegnerin nicht das Schicksal tausender anderer inhaftierter Oppositioneller aus den Augen zu verlieren. «In den Gefängnissen herrschen katastrophale Bedingungen. Folter während Verhören und als Strafmaßnahme gehört zum Alltag», sagte die Generalsekretärin der Organisation in Deutschland, Monika Lüke.
dpa