Billig-Brüste aus Frankreich: Auch Deutsche betroffen
Zehntausende Frauen sollen sich minderwertige Brustimplantate einer französischen Firma herausnehmen lassen. Nach dem Hersteller gerät nun erneut der TÜV Rheinland in die Kritik. Er hatte die Silikonkissen zertifiziert. Ein Anwalt will deswegen klagen.
Paris – Im Skandal um den weltweiten Verkauf Hunderttausender Billig-Brustimplantate aus Frankreich muss der TÜV Rheinland mit weiteren Klagen rechnen. Ein französischer Anwalt kündigte am Mittwoch juristische Schritte gegen den deutschen Prüfdienstleister an, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Der Verteidiger von vier Frauen mit Silikonbusen wirft dem TÜV vor, die Produkte des Herstellers PIP nicht seriös bewertet zu haben. Das Kölner Unternehmen war lange für die Zertifizierung der Implantate von Poly Implant Prothèse (PIP) zuständig.
Der TÜV hatte selbst bereits im vergangenen Februar Anzeige gegen PIP bei der Staatsanwaltschaft im französischen Marseille erstattet. „Die Experten von TÜV Rheinland sind von der Firma Poly Implant Prothèse nachweislich umfassend und fortgesetzt getäuscht worden, zum Schaden der betroffenen Frauen“, hieß es damals als Begründung. PIP habe Veränderungen an der genehmigten Auslegung des Produkts verschwiegen. Im Vorjahr hatten erste Französinnen den TÜV Rheinland wegen geplatzter Silikonbusen verklagt.
Seit in Frankreich neun Krebsfälle nach Implantat-Defekten bekanntwurden, sorgen sich weltweit Zehntausende Frauen um ihre Gesundheit. In einer beispiellosen Aktion hatte das französische Gesundheitsministerium Ende vergangener Woche 30 000 Französinnen eine vorsorgliche Entfernung der minderwertigen Implantate empfohlen - auch wenn die Regierung bislang keine Gefahr eines erhöhten Tumorrisikos sieht.
In Deutschland wurden bislang 19 Fälle von gerissenen PIP-Implantaten, aber keine Krebserkrankungen, bekannt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) rät deutschen Frauen mit Silikonbusen, „zur individuellen Risikoabwägung“ mit ihrem Arzt zu sprechen.
Der Gründer des Unternehmens PIP hat unterdessen zugegeben, dass er für die Produktion von Prothesen nicht zugelassenes Silikon verwenden ließ. Von dem eingesetzten Kunststoff gehe allerdings keine besondere Gefahr für die Gesundheit aus, ließ der Franzose Jean-Claude Mas über seinen Anwalt erklären. Alle Silikongele könnten im Körper zu Irritationen führen, sagte Verteidiger Yves Haddad der AFP. Vorwürfe über eine hohe Reißanfälligkeit der Implantate seien nicht belegt.
Als Grund für die Verwendung von nicht zugelassenem Billig-Silikon nannte Haddad das Gewinnstreben seines Mandanten. „Das ist vielleicht erbärmlich, aber so ist es nun einmal“, erklärte er in einem Gespräch mit der französischen Tageszeitung „Libération“ (Mittwoch). „Wir leben in einer kapitalistischen Welt.“ Mas werde sich vor der Justiz verantworten. Er sei zuhause in Frankreich und erhole sich von einer Operation.
Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass Mas untergetaucht sein könnte. Wegen Trunkenheit am Steuer in Costa Rica steht der 72-Jährige seit Monaten auf der Fahndungsliste von Interpol. Der französischen Justiz liegen zudem mehr als 2000 Anzeigen von Frauen mit PIP-Implantaten vor. Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln wegen schweren Betrugs und fahrlässiger Tötung. Das Unternehmen PIP wurde 2010 aufgelöst.
Wie bekanntwurde, hatte die US-Gesundheitsbehörde (FDA) PIP-Produkte schon vor fast zwölf Jahren aufgrund von Mängeln kritisiert. Anfang 2000 habe ein Inspektor eine französische PIP-Fabrik besichtigt und unbefriedigende Ergebnisse mitgebracht, bestätigte FDA-Sprecherin Erica Jefferson der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag. Danach habe man Firmengründer Mas in einem Schreiben auf mehrere Produktionsfehler und Mängel hingewiesen.
Allerdings habe es sich bei der damaligen Prüfung um mit Kochsalzlösung gefüllte Implantate gehandelt. Im Mittelpunkt des jetzigen Skandals stehen Gelkissen, bei denen statt Silikon für medizinische Zwecke Industrie-Silikon verwendet wurde. Dieses soll fünfmal günstiger gewesen sein.
Venezuelas Regierung sicherte betroffenen Frauen eine kostenlose Entfernung von minderwertigen PIP-Brustimplantaten zu. Auch wenn kein Notfall bestehe, könnten sich Frauen mit PIP-Silikonpolstern in jeder Klinik mit einer Abteilung für plastische Chirurgie untersuchen lassen, sagte Gesundheitsministerin Eugenia Sader am Dienstag (Ortszeit) in Caracas, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur AVN.
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